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Exil im eigenen Land

■ Nach der Flucht zurück – Diskussion um Hilfe für MigrantInnen

„Ich begreife mich nicht als Flüchtling, sondern als Entwicklungshelfer für Deutschland.“ Nicht vielen MigrantInnen wird hierzulande erlaubt, ein derartiges Selbstbewußtsein zu entwickeln wie Dr. Kambiz Ghawami, seit langem in Deutschland lebender Iraner und Mitglied des „World University Service“. Ein anderes Licht auf die Situation von Flüchtlingen während und vor allem nach ihrem Aufenthalt in Deutschland wollte am Mittwoch abend die Veranstaltung „Flucht und Rückkehr – Migration ist eine Straße mit Gegenverkehr“ werfen: Dazu hatte Helga Trüpel, Senatorin für Ausländerintegration, RückkehrerInnen in die Angestelltenkammer geladen, um mit ihnen Ansätze für eine Unterstützung von Flüchtlingen in Deutschland zu diskutieren.

„Wir wollen nicht in die Ecke geraten: Wie wird man Flüchtlinge schnellstmöglich wieder los, sondern herausfinden, wie man Rücckehrer bereits hier sinnvoll unterstützen kann“, so Trüpel.

„Du hattest die Hoffnung, in ein Land zurückzukehren, wo es Rassismus und Apartheid nicht mehr gibt. Dann gehst du zurück, und nichts hat sich verändert – es gab nur Reformen, keine Revolution.“ Aus eigener Erfahrung berichtete Veliswa Tshabalala, ehemalige Sprecherin der ANC-Frauen in Deutschland, die nach fast 20 Jahren Exil nach Südafrika zurücckehrte und seit einem Jahr über schwarze RückkehrerInnen forscht. Deren Probleme sind existentiell: viele haben den Kontakt zu ihren Familien verloren, 40 bis 50 Prozent der Schwarzen sind arbeitslos, und: „Die Geflüchteten treffen auf die, die im Land geblieben sind und das Regime ertragen haben“, so Tshabalala. „Viele sind nun im eigenen Land im Exil.“

Zur Bekämpfung des größten Problems Arbeitslosigkeit gibt es in anderen Bundesländern bereits erste Lösungsansätze. So stellte Kambiz Ghawami Initiativen aus Hessen und Hamburg vor, wo nicht anerkannten Flüchtlingen eine verkürzte Ausbildung ermöglicht wurde; in Hessen qualifizierten sich so rund 700 Menschen eritreischer und äthiopischer Herkunft. Zielgruppe des Programms „Qualifizierung als Rückkehrhilfe“:„Nicht- Fachkräfte, die mit ihrer Rückkehr einen ökonomisch sinnvollen Beitrag zum Aufbau des Landes leisten wollen.“

Die MigrantInnen als Triebfeder der Entwicklung: diese Rolle wurde bisher wenig beachtet. „Die Flüchtlingsnothilfe muß in die Entwicklungshilfe integriert werden, wenn sie auch langfristige Lösungen bieten soll“, sagte H. Kurth, Referent für Entwicklungszusammenarbeit in Hamburg. „Flüchtlinge haben nur dann eine Chance, am demokratischen Aufbau ihres Landes mitzuwirken, wenn sie genug Arbeit haben“, so Ghawami – eine 50 Jahre alte Idee Olof Palmes, die aber durch eine Entwicklungspolitik, die seit Jahrzehnten das ausländische Expertentum fördert und einheimische Arbeitskräfte benachteiligt, konterkariert wird. Die Forderung: Entmottet das deutsche Entwicklungshelfergesetz, nach dem z.B. Entwicklungshelfer nur werden kann, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Auf eine Bundesratsinitiative hin soll dieses Gesetz nun reformiert werden. Und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit setzt auf die Idee „Vom Flüchtling zum Entwicklungshelfer“: dort wurden Existenzgründungsprogramme für Arbeitsplätze im Ausland ins Leben gerufen.

Gutgemeinte Hilfe muß aber nicht immer Gutes bedeuten: falsche Qualifikationen gibt es in Entwicklungsprogrammen immer wieder. Fazit des Hamburgers Kurth: „Wenn Aus- und Weiterbildung nicht an lokale Technologien angepaßt sind, sind sie sinnlos.“

Susanne Kaiser

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