: Des Frohsinns fette Beute
■ Zwei Künstleragenten über angeschrägte Betriebsfeiern und die Kunst des „Event Marketing“
Die bremische Künstleragentur „Joke“ versorgt seit fünf Jahren Jubiläen und Firmenfeierlichkeiten jeder Sorte mit Kunst, Entertainment, Delikatessen und Dekor, kurzum mit Pep. Die taz fragte die Gesellschafter Peter Melms und Christian Seidenstücker nach Glanz und Elend eines harten Geschäfts.
Wenn ich zum Achtzigsten meiner Oma einen bauchtanzenden Baßbuffo brauche, der die Gäste mit Torten beschmeißt, können Sie mir so einen besorgen?
Peter Melms: Na klar. Notfalls würden wir's selber machen.
Das kommt vor?
Peter Melms: Ja, es muß ja immer von Anfang bis Ende was los sein, es soll ein Erlebnis sein. Das verstehen wir unter „Event Marketing“.
Christian Seidenstücker: Da reiß ich schon mal den einen oder andern Witz auf der Bühne, oder ich greife direkt als Conférencier ein. Vor zwei Jahren zum Beispiel hatten wir beim Catchturnier 38 Tage lang das Animationsprogramm zu besorgen, und mit sehr bescheidenen Mitteln. Da mußten wir schon zwischendurch mal ein Quiz machen oder solche Sachen...
Peter Melms: ...und plötzlich wankte wieder mal ein Besoffener auf die Bühne und ließ die Hosen runter. Das war hart.
Hat's schon mal einen Kundenwunsch gegeben, vor dem sie kapitulieren mußten?
Christian Seidenstücker: Neulich sollten wir zur Hochsaison eine Schneemaschine besorgen, weil ein Großunternehmen für eine private Weihnachtsfeier ein bißchen Rodelspaß haben wollte. Da mußten wir passen.
Will man öfters was Ausgefallenes von Ihnen?
Peter Melms: Zum Beispiel haben wir für eine große Bremer Firma einen Zug aus vier Waggons der ehemaligen Reichsbahn zusammengestellt und mit Lautsprecherboxen bestückt. Damit haben die dann Tagungsteilnehmer nach Köln kutschiert, und wir haben fürs Bordprogramm gesorgt. Es kommt auch vor, daß wir für Firmenfeiern richtige kleine Budenstädte aufbauen mit Bühnen und Disco, und die ganze Dekoration in der selben Farbe vom Klopapier bis zur Bühnendeko. Die Regel ist aber eher: ein großes Zelt für alle mit Tresen und Stehtischen. Das ist praktischer, und man merkt schon auch, daß die Unternehmen ein bißchen am Sparen sind.
Christian Seidenstücker: Wir würden ja schon gern öfters mal diese verrückten Kellner auftreten lassen, die plötzlich aus der Sektflasche saufen. Solche Sachen scheitern oft an den Kosten.
Was müßte ich denn mindestens hinlegen, damit Sie für mich an den Karteikasten gehen?
Christian Seidenstücker: Ach, Sie können schon auch für 150 Mark einen Schifferklavierspieler haben. Nach oben sind die Grenzen natürlich offen.
Könnten Sie vielleicht auch Dagmar Berghoff...
Peter Melms: Kein Problem. Was wir nicht haben, haben andere. Da schieben wir uns die Bälle schon zu.
Sie haben ja sicher auch ein Standardsortiment an Artisten, auf die sie immer wieder zurückgreifen. Wie kommt sowas zustande?
Christian Seidenstücker: Da gibt's Fachzeitschriften, und wir kriegen natürlich viel Post. Aber wenn da einer schreibt, er kann gleichzeitig jonglieren und einen Pullover stricken, dann muß das ja noch nichts heißen. Am besten schaut man sich die Leute schon selber an. Es gibt da auch regelrechte Künstlerbörsen, also Messen, wo man sich trifft; das meiste läuft ja überhaupt über Kontakte. Man empfiehlt sich gegenseitig die guten Leute. Wir haben aber so manchen auch schon einfach in der Sögestraße aufgetan.
Wieviele patente Entertainer wirken denn so in Bremen?
Christian Seidenstücker: Also wenn wir von Profis reden: höchstens hundert.
Und mit welchen arbeiten Sie am liebsten?
Christian Seidenstücker: Wir machen keine Exklusivverträge mit den Leute. Aber am allerliebsten arbeiten wir mit den Multitalenten, die man für alles einsetzen kann. Wir haben welche, die haben von der Akrobatik bis zum Close-Up- Zaubern direkt an den Tischen alles drauf und dazu noch ein bißchen Schauspielgabe. Das ist ideal.
Peter Melms: Da können wir immer wieder auf die selben verläßlichen Leute zurückgreifen, und die Kunden haben doch jedesmal was Neues.
Was sind das für Menschen, diese Alleskönner?
Christian Seidenstücker: Das kommt drauf an. Manchmal Aussteiger, die von ihrem Beruf die Schnauze voll hatten. Oder zum Beispiel freie Schauspieler, die bei uns in alle möglichen Rollen schlüpfen. Oder diese begnadeten Improvisationskünstler, die einfach angetanzt kommen, sich ein bißchen was übers Unternehmen und den Chef erzählen lassen, und schon stehen sie auf der Bühne und machen Witze drüber. Oder der Chef hält eine Ansprache, und plötzlich quatscht ihm einer aus dem Publikum dazwischen. Da braucht man fixe Leute.
Haben Sie auch private Kunden?
Christian Seidenstücker: Ja, viele. Mal 'n Ständchen auf dem Saxophon zum Geburtstag und so. Das sind aber nicht die Sachen, mit denen man Umsatz macht.
Kommt's nicht vor, daß Mausi mal sein Bärchen überraschen will und einen Künstler bei Ihnen bestellt? So als zweibeinigen Fleuropgruß?
Christian Seidenstücker: Auch das. Oder die Travestieshow auf Papis Geburtstagsfete. Solche persönlichen Überraschungen bestellen aber auch gerne Firmen bei uns, die erfolgreiche Mitarbeiter belohnen möchten. Da klingelt's dann bei denen zu Hause, und es steht ein schicker Schlitten mit Chauffeur vor der Tür, und zack: Einer rollt den roten Teppich aus, und ab geht die Post. Nach Hamburg zum „Phantom der Oper“ oder sonstwohin.
Peter Melms: Oder wir schicken eine Sänfte.
Christian Seidenstücker: Einmal ein König sein!
Peter Melms: Das ist nicht immer das Geschmackvollste. Aber die Kunden wollen das so. Oft sind diese Incentives...
Incentives?
Peter Melms: Ja, diese Veranstaltungen, womit Firmen ihre Mitarbeiter motivieren, beispielsweise Auszeichnungen der besten Verkäufer und sowas. Damit haben wir häufig zu tun, das werden wir ausbauen.
Machen Sie auch Veranstaltungen, wo neue Produkte gebührend vorgestellt werden?
Christian Seidenstücker: Nicht direkt. Also wir stellen uns nicht hin und sagen mit Täterä: Das ist jetzt unser neues Wischi-Waschi! Aber wenn mal den Mitarbeitern intern was gezeigt werden soll, dann sind wir schon dabei. Mit Diashows oder Multimedia-Geschichten. Das kann dann auch die neue Betriebsstruktur sein oder ein neues Abrechnungssystem.
Ist das nicht oft eine Quälerei, wenn man sich auch noch zum Abrechnungssystem ein Spektakel einfallen lassen soll?
Christian Seidenstücker: Am schwierigsten ist es halt, wenn dann auch noch das Budget gering ist. Da muß man sich schon was aus den Fingern saugen. Aber wenn das Geld stimmt, dann veranstalten wir denen jedes Feuerwerk, Laser-shows, alles.
Fragen: Manfred Dworschak
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