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„Umverteilung in gemeinsamer Arbeit“

■ Rot-Graue Schulpolitik: keine Garantie für die bisherigen Standards     Von Kaija Kutter

Anke Kuhbier war am Freitag mittag eigentlich noch ganz optimistisch: Die SPD habe ein „Verhandlungspapier“ zur Schulpolitik vorgelegt, und dort stünde drin, daß die „Standards“ nicht verschlechtert werden dürften. Sprich: keine Erhöhung der Lehrerarbeitszeit, keine Erhöhung der Klassenfrequenzen. Dieses Papier, so die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, stamme noch aus den rot-grünen Verhandlungen, sei überarbeitet und die „offizielle Meinung der Partei zur Schulpolitik.“

Und dies, obwohl Bürgermeister Voscherau zu Beginn der Verhandlungen gesagt hatte, er habe Daten in seinem Laptop gespeichert, was Arbeitszeitverlängerung für Lehrer und Klassenfrequenzerhöhung bringen könnten. Und gleich darauf Statt-Partei-Chef Wegner: Er sei auch mit 31 Schülern in einer Klasse gewesen, das habe ihm „auch nicht geschadet“. Replik aus Lehrerkreisen: „Das merkt man heute noch.“ Ein Running Gag, der wenig Trost spendet, denn sonst gibt es zur Zeit nicht viel zu lachen.

Die Diskussion um Bildungspolitik wird polemisch geführt, jede kritische Äußerung mit „Lehrer jammern schon wieder“ kommentiert. Der Bürgermeister versäumte es bei den Rot-Grünen Verhandlungen in keiner Sitzung, über Lehrer herzuziehen. Ein Insider: „Der leidet unter Verfolgungswahn“.

Nun, wo die Herren für das Grobe gesorgt hatten (Stimmung bereitet), blieb die Kleinarbeit den Damen überlassen. Statt-Partei-Frau Rotraut Meyer-Verheyn soll in den Verhandlungen die Umverteilung von Verwaltungs- und Klassenlehrerstunden von den Gesamtschulen zu Haupt- und Realschulen gefordert haben. Eine alte CDU-Forderung, die im Abschlußbericht der Enquete-Kommission-Schulpolitik als Minderheitsvotum festgehalten wurde. Nach anderthalb Tagen Beratung mit SPD-Vize-Chefin Helgrit Fischer-Menzel hat die Newcomerin ihre Meinung nicht entscheidend geändert. Es müsse „Umverteilung in gemeinsamer, sehr schwieriger Arbeit stattfinden“, sagte Rotraut Meyer-Verheyn zur taz. Zwar habe man sich in den Koalitionsgesprächen auf eine Vereinbarung zur Schulpolitik geeinigt, „ein Zielkorridor, in welche Richtung wir uns entwickeln wollen“. Die Frage von Lehrerarbeitszeit und Klassenfrequenzen sei darin „weder positiv noch negativ erörtert“. Gleichwohl müsse angesichts leerer Kassen „alles zur Disposition stehen“. Zur Ausstattung der Gesamtschulen: „Wir können es nirgends so belassen, wie es ist.“

Der Optimismus von Anke Kuhbier war also verfrüht. Kein großes Wunder, war doch mit Helgrit Fischer-Menzel eine Nicht-Bildungspolitikerin in der Kommission, die schon zu den grünen Verhandlungspartnern gesagt hatte: „Euer Papier ist eigentlich ganz gut – bis auf die materiellen Forderungen. Nehmt sie heraus und erhöht mit uns die Klassenfrequenzen.“

Wie das gehen könnte, hatte jüngst der Rechnungshof skizziert. Neun Prozent der Klassen seien zu klein. Es sei zu überlegen, ob man sie nicht auch dann zusammenlegt, wenn die Orientierungsfrequenz „deutlich überschritten wird“. In der Konzequenz, so fürchtet die GEW, bedeutet dies Klassen von 34 Schülern und mehr.

Sie sei nicht bereit, Einsparungen auf Kosten der Schüler mitzutragen, hatte Schulsenatorin Rosie Raab im Vorwahlkampf gesagt. Die Vergrößerung der Klassen sei die „allerletzte“ Möglichkeit. Die von der CDU angepeilte Verschlechterung der Rahmenbedingungen an Gesamtschulen bedeute das „Aus“ dieser Schulform. Der Dissens in dieser Frage sei so gravierend, daß eine Große Koalition mit ihr nicht denkbar wäre. Aber eine kleine große Koalition?

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