Neue Pokerrunde um Transrapid

■ Bundeskabinett „grundsätzlich“ für die Stelzenbahn

Berlin (taz) – „Ich will spätestens 2000 mit dem Transrapid von Berlin nach Hamburg fahren!“ fordert der Verkehrsobmann der CDU/CSU-Fraktion Horst Gibtner. So schnell wird es nicht gehen, aber gestern gab das Bundeskabinett „grundsätzlich“ grünes Licht für eine Stelzenbahn zwischen Berlin und Hamburg. Eine endgültige Entscheidung soll frühestens im März 1994 erfolgen.

Damit ist es den Unternehmen Thyssen Industrie, Siemens und Daimler-Benz/AEG gelungen, ihr im Sommer sogar schon vom Verkehrsministerium so gut wie abgeschriebenes Projekt wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Aber auch sie versuchen nicht einmal mehr vorzutäuschen, daß die Magnetbahn verkehrspolitisch besonders sinnvoll ist, sondern argumentieren mit der „Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“. Um nämlich die Technik wie geplant exportieren zu können, halten sie eine Referenzstrecke im Inland für unabläßlich.

Die Industrie hatte am Anfang der Woche ein Konzept vorgelegt, das nicht mehr das gesamte Risiko auf die SteuerzahlerInnen abwälzt. Geplant ist, Fahrweg und Betrieb wirtschaftlich zu trennen. Die Betreibergesellschaft, an der zusätzlich zu den Konstruktionsunternehmen auch die Bahn, die Lufthansa sowie mehrere Banken und Versicherungen beteiligt sein sollen, rechnet zunächst mit Kosten von knapp 4 Milliarden Mark. Lufthansa-Sprecher Christian Klick wiegelte ab: „Eine Beteiligung der Lufthansa wird es nur geben, wenn sich damit Geld verdienen läßt.“ Das bezweifeln viele.

Der Fahrweg soll nach dem Konzept der Industrie vom Bund bezahlt werden. Angeblich werden dafür 5,6 Milliarden Mark veranschlagt. Diese Rechnung aber geht davon aus, daß die Finanzierung ohne Kreditaufnahme möglich wäre. Außerdem ist noch unklar, ob die Trasse innerhalb der beiden Städte in Tunneln geführt werden muß – schließlich soll der Transrapid bis in die Innenstädte hinein fahren: In Berlin sollen die Fahrgäste in Spandau und am Westkreuz, in Hamburg in Billwerder Moorfleet und am Hauptbahnhof aussteigen können. Teure Grundstückskäufe und Schallschutzmaßnahmen gegen den im 10-Minuten- Takt vorbeidonnernden Zug wären vonnöten. Kritiker rechnen deshalb mit doppelt so hohen Kosten. Die Industrie hat zwar versprochen, sich später mit einem Nutzungsentgelt zu beteiligen. Hier aber zeigt sich einmal mehr, daß das Risiko doch beim Bund liegt: Wenn nach erfolgreichen Exportverhandlungen die Vorführstrecke nicht mehr regelmäßig betrieben wird, fließt kein Geld zurück in die Bundeskasse.

Wie der Bund den Stelzenweg bezahlen will, ist völlig unklar. Im Bundeshaushalt taucht er nicht auf. Bleibt die Hoffnung, daß das Projekt ähnlich wie die Raumfahrtpläne irgendwann als nicht finanzierbar in der Versenkung verschwindet. Dann aber wird die Industrie Schadensersatz fordern – den die SteuerzahlerInnen zahlen müssen. Annette Jensen