: Kreative Fünfer-Bande
■ „Freestyle“: Mit Musik, Poesie und Kunst gegen Kultureinerlei
„Wenn dir die Kultur nicht gefällt, mach sie selbst!“ Nach dieser Devise fanden sich vor etwa einem halben Jahr fünf Musikarbeiter, als sie „aus der Zinnschmelze geekelt und des Hauses beraubt wurden“, zusammen und gründeten den gemeinnützigen Verein Freestyle. Angesichts der „Vorhersehbarkeit des Hamburger Kulturangebots“, das sich auf die Bedürfnisbefriedigung abgesteckter Szenen beschränkt, versucht es die Fünfer-Bande nun mit Freistil.
Überraschung und stimulierende Verwirrung waren deshalb auch in den Gesichtern im Publikum während der ersten Blackbox-Veranstaltungen an den Novemberwochendende Alabama zu lesen. Der Hamburger Presse fehlten angesichts des Auftritts der Londoner Dichterin mit nigerianischer Abstammung Patience Abgabi die Worte – da rappte oder dubbte, las oder musizierte die Black Poetress. Nach eigenem Bekunden aber hat sie nur „aufgehört mit Puppen zu spielen, um heute mit Wörtern zu spielen.“ „Blaue, grüne und gelbe Wörter“ über Menstruation oder Rapunzel, mit und ohne Perücke, energisch oder schalkhaft vorgetragen.
„Literatur darf nicht nur vor Bildungsbürgern im Literaturhaus zelebriert werden“, greift die Freestylistin Anglistik-Studentin Aurelia Uldorf eine von der Beat-Generation in den angelsächsichen Ländern etablierte Idee auf, die Gedichte zu Musik im Parks oder Cafés „aufführten“. Dabei will sie ihre guten Kontakte zur Londoner Poetry-Szene nutzen, um auch weiterhin „schwarze Sprachperformer wie Lemn Sissay und Abgabi nach Hamburg zu holen, wenn Spoken Words wegen der Nähe zum Rap nicht mehr so angesagt sind.“
In Anbetracht drohender Tempo-Sampler mit Spoken Words, befürchtet der für die Freestyle-Optik veranwortliche Chris Scharmach wie schon bei Acid Jazz eine beliebige Aneinanderreihung von Zeichen. „Dem steuern wir mit kontinuierlichen Auftritten entgegen, die ein Verständniss für die Geschichte und die verschiedenen Spielarten der Spoken Words schaffen“.
Nach Poetry und der Blackbox-Trilogie, deren letzte Folge sich in Wort und Bild dem Hip-Hop zuwendet, wollen die fünf im nächsten Jahr ihren jeweiligen Vorlieben fröhnen: Brit-Pop-Konzerte, Girl-Group-Festivals, Lesungen von Agit-Hoppern und „Folk für Fahradfahrer“.
Volker Marquardt
Lemn Sissay, heute und morgen im Mojo Club, 22 Uhr; „Blackbox III“: Poets of Peeze und „Def by Temptation“ (Hip-Hop-Film), 18. 12., Alabama, 22 Uhr
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