■ UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte beschlossen: Ein allzu zögernder Schritt nach vorn
Die Schaffung des Amtes einer/s Hochkommissarin/s der UNO für Menschenrechte nach über vier Jahrzehnten Diskussion ist unzweifelhaft ein Fortschritt. Zumal zu ihrem/seinem Mandat, das heute vom zuständigen Ausschuß und am nächsten Montag vom Plenum der UNO-Generalversammlung in New York formell beschlossen wird, nicht nur der Einsatz für die bislang von den nördlichen Industriestaaten vorrangig betonten bürgerlichen Freiheitsrechte gehört, sondern ausdrücklich auch für soziale und kulturelle Grundrechte. Hierfür hatten sich neben den Ländern des Südens auch amnesty international und andere regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisationen aus allen Teilen der Welt ebenso eingesetzt wie für die fortgesetzte universelle Geltung aller seit 1948 im UNO-Rahmen vereinbarten Menschenrechtsnormen. Dieses gemeinsame Engagement von Menschenrechtsorganisationen aus Nord und Süd durchkreuzte schließlich das ursprüngliche Kalkül Chinas und anderer vor allem asiatischer Staaten, mit der Forderung nach Einschluß der sozialen/kulturellen Rechte in das Mandat des Hochkommissars diesen ganz zu verhindern.
Die Möglichkeiten der/s künftigen Hochkommissarin/s, unabhängig Untersuchungen von vermuteten Menschenrechtsverletztungen durchzuführen, als Frühwarnsystem zu fungieren sowie zwecks Verbesserung konkreter Menschenrechtsbedingungen einzugreifen, bleiben allerdings hinter dem Wünschenswerten zurück. Zum einen hat die/der Kommissarin/er kein uneingeschränktes Initiativrecht, um Untersuchungen durchzuführen, sondern muß jeweils vorab den UNO-Generalsekretär „konsultieren“. Dieser ist wiederum weitgehend vom Sicherheitsrat abhängig, und damit von den politischen Interessen insbesonders seiner fünf ständigen Mitglieder. Die Forderung regierungsunabhängiger Menschenrechtsorganisationen, der Hochkommissar solle ausschließlich der UNO-Generalversammlung rechenschaftspflichtig sein, ging zahlreichen Staaten des Südens wie des Nordens denn doch zu weit.
Zum zweiten zeichet sich seit geraumer Zeit ab, daß die UNO-Generalversammlung dem Apparat, auf den sich der Hochkommissar künftig stützen muß – dem Genfer UNO-Menschenrechtszentrum –, noch nicht einmal zehn Prozent der für eine effektive Arbeit unerläßlichen Budgeterhöhung bewilligen wird. Die deshalb von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen geforderten und durchaus leistbaren Sonderzahlungen für das Genfer Zentrum durch die nördlichen Industriestaaten haben diese bislang verweigert. Damit wecken die Regierung in Washington, Bonn oder den anderen EU-Staaten, die sich in letzter Zeit so vehement für die neue UNO-Institution eingesetzt haben, Zweifel, ob sie tatsächlich an einem eigenständig handlungsfähigen und damit wenigstens auch ein Stück weit von politischen Kalkülen wichtiger UNO- Mitgliedsstaaten unabhängigen Hochkommissar für Menschenrechte interessiert sind.
Andreas Zumach, Genf
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