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Aufgeklärt oder mißbraucht?

■ betr.: „Was wissen Kinder über Se xualität“, taz vom 13.12.93

Zunächst war ich geneigt, den Artikel in die Kategorie „Wissenschaftlerinnen finden mit viel Mühen heraus, was alle anderen schon wissen“, einzureihen, was zwar ein alter Hut ist, aber immer wieder ganz heilsam: Da wissen doch Kinder glatt um so mehr über Sexualität, je mehr ihnen die Eltern darüber gesagt haben! Wenn sie (die Kinder) älter werden, werden „möglicherweise“ (!!) andere Informationsquellen wie Kindergarten und Gleichaltrige wichtiger usf.

[...] Das Thema „altersadäquates Sexualwissen“ wurde offenbar hauptsächlich deswegen erforscht, weil man gerne klären wollte, ob Kinder, die über altersinadäquates Sexualwissen (was das ist, ist ja nunmehr „wissenschaftlich bewiesen“) verfügen, sexuell mißbraucht wurden. Die Relativierung am Ende des Artikels, daß die Quelle des Wissens von Kindern über Sexualität ein sexueller Mißbrauch sein kann, aber nicht muß, zeigt, wie heruntergekommen die Debatte ist. Hier wird doch eine Umkehr der Beweislast vorgeschlagen: Wenn ein Kind etwas über Sexualität weiß, ist der Mißbrauchsverdacht erst einmal gerechtfertigt; sollten die betroffenen Eltern Glück haben und auf eine(n) differenzierte(n) GutachterIn treffen, fragt diese(r) vielleicht nach, ob das Kind nicht doch einfach aufgeklärt wurde.

Die Message, die hier das Medium übermittelt, ist folgende: Eltern, klärt Eure Kinder nicht auf! Denn PsychologInnen haben herausgefunden, daß die meisten Kinder wenig über die Sexualität der Erwachsenen Bescheid wissen. Wenn Euer Kind darüber etwas weiß, lauft ihr Gefahr, von aufgeregten KinderschützerInnen der Kindsmißhandlung verdächtigt zu werden. Haben dafür Günter Amendt und viele andere jahrzehntelang gekämpft? Wolfgang Ludwig-Mayerhofer

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