: Stillstand in Stillhorn
■ Brummi-Fahrer blockieren lautstark Raststätte / Vehemente Proteste gegen Bonner Verkehrspolitik / „Das war die letzte Warnung“ Von Kai von Appen
100 Brummi-Fahrer haben gestern morgen mit ihren Ungetümen die Autobahnraststätte Stillhorn sowie die Veddeler Zufahrt zum Freihafen blockiert. Grund: Sie fühlen sich von der Bundesregierung durch die neuen EG-Bestimmungen verraten und verkauft.
Stillhorn, gestern vormittag, 10.50 Uhr: Die ersten LKWs haben bereits den Parkplatz der Raststätte gefüllt. Nach und nach treffen weitere Zugmaschinen mit Anhänger sowie Dutzende von Sattelschleppern ein. Um Schlag elf Uhr ertönt ein ohrenbetäubendes Hup-Konzert der kräftigen Hörner. Brummifahrer Matze und Michael spielen die Vorreiter. Sie rangieren ihre Gefährte auf die Fahrbahn. Andere folgen ihrem Beispiel, stellen ebenfalls ihre Zugmaschinen quer. Auf der Raststätte Stillhorn läuft nichts mehr.
Auch PKW-FahrerInnen haben Probleme, von der Tankstelle wieder auf die Autobahn zu kommen. Während sie aber durch eine schmale Gasse gelassen werden, ist für Brummis der Weg gänzlich versperrt, was bei einem Fahrer zum Wutausbruch führt: „Wir schneiden uns doch ins eigene Fleisch. Während wir uns hier die Beine in den Bauch stehen, bedienen die Dänen und Holländer unsere Kunden.“ Doch er steht mit seiner Auffassung allein.
Der Protest richtet sich gegen die Verkehrspolitik der Bundesregierung. Die Brummi-Fahrer und vor allem der Verband der Güterfernverkehrs- Unternehmen beklagen, daß sie in der Bundesrepublik europaweit nicht nur die höchsten Kfz-Steuern löhnen müssen und den schärfsten Sicherheitsbestimmungen unterliegen, sondern daß in den europäischen Nachbarländern auch noch Wegezoll und Autobahngebühr kassiert werden. Ein Fernfahrer: „Die ausländische Konkurrenz reibt sich die Hände. Niedrigere Steuern, billigerer Diesel, laxere Kontrollen und niedrigere Sicherheitsstandards verschaffen der Konkurrenz riesige Preisvorteile.“ Die erschreckende Vision: „In Deutschland sind immer mehr LKWs unterwegs, aber immer weniger deutsche.“
Der Landesverband des Güterfernverkehrs fürchtet, daß durch den neuen EG-Binnenmarkt akut 100.000 Arbeitsplätze auf den Böcken der Zugmaschinen gefährdet sind: „Das deutsche Gewerbe ist leistungsfähig und fit für Europa. Aber ohne Angleichung der Wettbewerbsbedingungen sind wir chancenlos.“ Immer mehr ausländische Transport-Unternehmen würden in Deutschland Binnentransporte durchführen, weil die Beschränkungen in den nächsten Jahren ihre Wirkung verlieren.
Für den Verband war der gestrige Protest nur ein Auftakt. „Unser heutiger Protest ist friedlich. Er ist jedoch die letzte Warnung dieser Art an die deutsche Politik.“ Brummi-Fahrer Michael hätte gestern schon gern eine härtere Gangart eingeschlagen: „Eine Stunde nützt doch gar nichts. Eigentlich müßte man drei Tage alles blockieren, so daß nicht einmal der Bäcker mit seinen Brötchen durchkommt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen