piwik no script img

■ Press-SchlagLeichte Gegner?

Die Frage, was eigentlich ein leichter Gegner ist, erhebt sich bei der Weltmeisterschaft 1994 in den USA drängender denn je. Zu Hause geblieben sind etliche der Großen des Weltfußballs wie Frankreich, Uruguay, England, Portugal, Dänemark, zu Hause geblieben sind auch die stark eingeschätzten Japaner und das vermutlich beste afrikanische Team, Ghana. Mit von der Partie dafür Mannschaften wie die aus Bolivien, Norwegen, Griechenland, der Schweiz, Bulgarien oder Nigeria.

Für Leute wie Thomas Helmer, die aus den Schelmenstreichen vermeintlich inferiorer Teams bei diversen Weltmeisterschaften nichts gelernt haben, ist die Frage leicht zu beantworten. „Keine Schwierigkeiten“ sollten Bolivien, Spanien und Südkorea dem amtierenden Weltmeister machen, „lösbare Aufgaben“ sieht Lothar Matthäus, ein Kommentar, den er zu jedweder Auslosung abgegeben hätte. Und auch der Bundestrainer Berti Vogts ist „glücklich und voller Hoffnung“.

Ähnlich der Tenor der europäischen Presse. „Das Glück stand Spanien zur Seite“, behauptet Diario 16; „Wunderbar! Es hätte nicht besser kommen können“, bejubelt der Schweizer Blick die Kontrahenten USA, Kolumbien und Rumänien; „Oranje hätte es nicht besser treffen können“, freut sich De Telegraaf über Belgien, Marokko und Saudi-Arabien; etwas verhaltener äußert sich die Gazzetta dello Sport, die in bezug auf Irland, Norwegen und Mexiko von einer „zugänglichen Gruppe“ spricht.

Mit Sicherheit werden einige der Optimisten im Sommer ihr blaues Wunder erleben, das Boliviens baskischer Trainer Xavier Azkagorta bereits für das Eröffnungsspiel am 17. Juni in Chicago gegen die Deutschen angekündigt hat. Deutschland möge sich bitte schon mal an das Eröffnungsspiel 1990 in Italien, Kamerun schlägt Argentinien, erinnern.

Irgendwie haben sich auch die Underdogs schließlich für diese von bösen Zungen als „Gurken-WM“ apostrophierte Veranstaltung qualifiziert, ein Phänomen, für das Johan Cruyff, der entgegen aller Prognosen, auch seiner eigenen, nicht das Team der Niederlande coachen wird, eine einfache Erklärung parat hat. Die großen Fußballnationen hätten ihre technischen Fähigkeiten eingebüßt, daher seien Mannschaften wie Norwegen, Bulgarien oder die Schweiz mittlerweile in der Lage, sie mit Kraft und Rennerei zu bezwingen.

An einen Sieg der Technik glaubt dennoch Brasiliens Pelé. Er ist überzeugt, daß Kolumbien den Titel holen wird: „Sie spielen den besten Fußball, den ich im vergangenen Jahr gesehen habe.“ Matti

Gruppe A: USA, Schweiz, Kolumbien, Rumänien; Gruppe B: Brasilien, Rußland, Kamerun, Schweden; Gruppe C: Deutschland, Bolivien, Spanien, Südkorea; Gruppe D: Argentinien, Griechenland, Nigeria, Bulgarien; Gruppe E: Italien, Irland, Norwegen, Mexiko;Gruppe F: Belgien, Marokko, Niederlande, Saudi-Arabien

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen