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Greens, wie grüner Tourismus

■ Ägypten kämpft mit gezieltem Marketing gegen den Touristenschwund

„Man kann ja auch auf der Teppichkante ausrutschen“, meint Inge K. aus D. Angst, ihren Jugendtraum zu erfüllen, eine Nilfahrt und Besuch der alten Kulturdenkmäler, hat sie keine. Sie genießt die Fahrt auf dem fast leeren Luxusdampfer „Nil Symphony“, mit Pool, Sonnenterrasse, zuvorkommendem Personal und hervorragendem Essen. An den Anlegestellen bei Assuan liegen die Touristendampfer in Dreierreihen fest. „Nur ungefähr ein Drittel der Plätze ist in dieser Hochsaison ausgebucht“, meint der Reiseleiter Mustafa. Er selbst arbeitet nur einige Tage im Monat. In den Tempelanlagen von Luxor oder an den Pyramiden bei Kairo scheint die Sightseeing-Konjunktur ungebrochen: drängeln und Schlange stehen vor dem Sphinx.

Bei der Schleuse vor Luxor werfen Händler am Ufer schreiend Waren an Bord der Luxusdampfer, mindestens fünf Meter hoch. Die Touristen feilschen eifrig mit. Und so mancher zieht mit einem billigen einheimischen Gewand, einer Galabiya, ab. Die Händler müssen das lässig vom Schiff herabgeworfene Geld aus dem Nil fischen. Der hohe Aufwand ist im Preis der Ware inbegriffen. Und die Geschäfte laufen eben schlecht in dieser Zeit der Touristen-Ebbe.

In Luxor sind einige Gold- und Souvenirläden geschlossen. Betroffen vom stagnierenden Tourismusgeschäft sind insbesondere Ladenbesitzer, Reiseleiter und das Personal in Hotels und auf Schiffen. Der geringe Verdienst eines Kellners zwischen 170 und 300 Pfund mit Trinkgeld (85 bis 150 Mark) wird nun durch den Verdienstausfall drastisch geschmälert. Feste Verträge existieren im Tourismusgeschäft ohnehin kaum.

Nur ein paar „Verrückte“ hätten die Anschläge verübt, wird den UrlauberInnen allenthalben versichert. Ansonsten welcome für die devisenträchtigen Ausländer. Nirgendwo begegnen die BesucherInnen fremdenfeindlicher Ablehnung. Touristische Einrichtungen werden von der Polizei stark abgesichert. Die politischen Verantwortlichen greifen gegen militante Extremisten hart durch: Die Militärgerichte sprechen Hinrichtungen und hohe Gefängnisstrafen für gefaßte Täter aus. Ein Schmuckhändler vermutet, nicht vom Sudan unterstützte Islamisten, wie viele behaupten, sondern die Israelis stünden hinter den Anschlägen. „Um die Touristen für sich zu gewinnen“, spekuliert er.

Der vor kurzem designierte Tourismusminister Mamdouk El- Beltagy sieht die Anschläge als „tiefen Bruch mit der ägyptischen Gastfreundschaft“. Doch seine Probleme sind anderer Art als nur die verletzter Regeln der Höflichkeit. Genaue Zahlen des Rückgangs kann er nicht nennen. Schätzungen liegen bei 60 bis 70 Prozent. Nach den Einnahmen aus dem Suezkanal ist der Tourismus der wichtigste Devisenbringer.

Mit Pressekampagnen in Europa und Werbeaktionen versucht das ägyptische Tourismusministerium das angeschlagene Image des Landes wettzumachen, die Flaute zu beleben. Gleichzeitig setzt man auf Produktdifferenzierung. Neben der klassischen Nilreise wird verstärkt der Badetourismus am Roten Meer gefördert und mit Sonderangeboten unter die UrlauberInnen gebracht. Der Badeurlaub kommt gut an und belebt das Geschäft.

Dabei soll nach dem „neuen Kurs“ des Ministeriums, so Beltagy, bei der weiteren Erschließung der Region zwischen Hurghada und Safagha am Roten Meer „keine Aggression gegen die Natur verübt werden“. Wurden bislang die Korallenriffe in der neuen massentouristischen Hochburg Hurghada gnadenlos für Touristen platt gemacht, so soll nun „alles anders werden“. Man habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und setze nun verstärkt auf einen „grünen Tourismus“. Die Inhalte dieses „grünen Tourismus“ benennt der Tourismusminister folgendermaßen: ein Masterplan wurde erstellt, der eine angepaßtere Bauweise vorsieht. Und dann wären zahlreiche Golfplätze in dieser wasserarmen Gegend am Nil geplant. Greens also, meint der Minister, als klare und wüstenweit sichtbare Definition eines „grünen Tourismus.“ Edith Kresta

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