piwik no script img

„Unerträglich ist die Angst vor der Abschiebung“

■ Portrait des pakistanischen Flüchtlings Mohammad Naveed, der im Flüchtlingslager am Frankfurter Flughafen lebt - seine Anerkennung ist ungewiß

„Seit meinem 18. Lebensjahr habe ich nie länger als vier Jahre in Freiheit verbracht“, erzählt Mohammad Naveed, Journalist aus Pakistan. Sein physischer Zustand räumt jeden Zweifel über diese Aussage aus. In einem Gutachten des „medizinischen Dienstes der Flughafenklinik“ in Frankfurt heißt es: „Der Patient leidet an einer bekannten labilen Hypertonie... weiterhin leidet er an den Spätfolgen einer Schlageinwirkung vor acht Jahren im Bereich beider Oberschenkel und beider Oberarme. Es zeigen sich hier besonders motorische Ausfälle mit der Folge: Der Weg zur Toilette über ein Treppenhaus ist nur mit Hilfe möglich, sowie auch das Halten eines Essentabletts.“ Mohammad Naveed ist seit dem 5. Dezember im Flüchtlingslager am Frankfurter Flughafen untergebracht. Das Bundesamt für ausländische Flüchtlinge hat seinen Asylantrag abgelehnt, mit der Begründung, als Mitglied der pakistanischen People Party sei sein Leben in seinem Heimatland nicht gefährdet, für eine politische Verfolgung bestehe kein Grund.

Daß es innerhalb dieser Partei eine Spaltung gegeben hat und der nun regierende Teil die „Spalter“ als wichtigste Feinde betrachtet und zu ihrer physischen Vernichtung entschlossen ist, scheint den Entscheidern beim Bundesamt für ausländische Flüchtlinge nicht bekannt zu sein. Die Ablehnung wird nun vom Verwaltungsgericht Frankfurt nachgeprüft. Eine Bestätigung der Entscheidung kann zur unmittelbaren Abschiebung des Flüchtlings führen.

Mohammad Naveed war schon als Student politisch aktiv. „In den vergangenen 20 Jahren bin ich schon 30mal verhaftet worden“, sagt er. „Einmal habe ich ein ganzes Jahr in einer Einzelzelle verbracht, in einem kleinen Raum, ohne Licht. Man hat mich mit der Drahtpeitsche geschlagen. Nur selten ließ man mich schlafen, ich wurde immer wieder geweckt und gefoltert. Seitdem bin ich behindert.“

Das Flüchtlingslager am Frankfurter Flughafen besteht aus zwei Schlafsälen mit 88 Betten und einem Speise- und Aufenthaltsraum. Einen Stock tiefer sind Duschen und Toiletten. Das Ganze umlagert und kontrolliert von Einheiten des Bundesgrenzschutzes. „Sieht man von gelegentlichen Schlägen ab, besteht der Unterschied zu einem pakistanischen Gefängnis darin, daß hier die Insassen nicht gefoltert werden“, meint Mohammad Naveed. „Unerträglich ist hier jedoch die Angst vor der Abschiebung. Sie raubt dir den Schlaf, lähmt deine Kräfte. Du sitzt in diesen kalten Räumen, zusammengeworfen mit Menschen, die du nicht kennst, deren Sprache du nicht verstehst, und diesen Uniformierten, die so kräftig, gesund und wohlernährt aussehen. Sie haben die Macht über dein Leben. Jedesmal, wenn einer von ihnen hereinkommt, zucken alle zusammen, jeder befürchtet, der nächste zu sein, der abgeschoben werden soll.“

Rund 300 seiner Parteifreunde seien seit der Machtübernahme Frau Bhuttos in Pakistan verhaftet worden, berichtet Mohammad Naveed. Um der eigenen Verhaftung zu entrinnen, habe er sich für umgerechnet 10.000 DM einen gefälschten Paß gekauft. Eigentlich wollte er nach Kopenhagen fliegen, wo sich seine Mutter und drei seiner Brüder aufhalten. Doch in Frankfurt habe ihn die Grenzpolizei erwischt und die Fälschung des Passes festgestellt. Daraufhin habe er sofort einen Asylantrag gestellt.

Als ich ihn frage, wie er, im Falle einer Anerkennung als politischer Flüchtling, sich seine Zukunft in Deutschland vorstelle, blickt er mich verwundert an. „Solche Gedanken kommen mir überhaupt nicht in den Sinn“, erwidert er. „Das liegt in weiter Zukunft. Erst muß ich sicher sein, daß ich nicht abgeschoben werde. Im Falle einer Abschiebung wäre meine Verhaftung sicher. Ich habe doch so viel gegen Frau Bhutto geschrieben. Sie kennt kein Erbarmen. Eine Abschiebung käme für mich einem Todesurteil gleich. Selbst wenn man mich nicht hinrichten würde, ich würde einen längeren Aufenthalt im Gefängnis und die Folterungen nicht überleben.“ Bahman Nirumand

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen