: Betten retten rettet die Versorgung
■ Bis 1998 sollen 6.000 Krankenhausbetten auf den Pflegebereich verteilt werden / Grüne sehen darin klammheimliche Sparmaßnahmen / Eine Bürgerinitiative hat bereits 1.000 Unterschriften gesammelt
Was die Zahl der Krankenhausbetten pro Einwohner betrifft, ist Berlin Spitzenreiter in der Bundesrepublik. Auf 1.000 Einwohner kommen hier im Schnitt elf Betten. „Überversorgung“ nennt das der Pressesprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit, Ulf Herrmann. Und deshalb sollen bis 1998 etwa 6.000 Krankenhausbetten – überwiegend aus den Bereichen Geriatrie und Psychiatrie – auf den Pflegebereich umverteilt werden.
Daß in der stationären Versorgung Kapazitäten eingespart werden können, bezweifelt auch nicht Doktor Bernd Köppl, gesundheitspolitischer Sprecher von Bündnis 90/ Grüne. Allerdings hält er die Berechnungen der Senatsverwaltung für irreführend. „Wir brauchen eine detaillierte Gesundheitsanalyse, die die Altersstruktur und das Krankheitsbild der Berliner Bevölkerung berücksichtigt. Die Anzahl der Betten besagt rein gar nichts“, so Köppl. Er befürchte außerdem, daß die eingesparten Krankenhausbetten im Pflegebereich nicht wieder auftauchen, da es für diese Umverteilung weder einen Finanzrahmen noch eine Planung gebe.
Die Sozialverwaltung bestreitet das. „Ende März werden wir einen Plan vorlegen, in dem die Verteilung der Betten auf den Pflegebereich detailliert aufgeführt ist“, sagte der taz Barbara Westhoff, Referentin der Gesundheitssenatorin.
Die Einsparung der Krankenhausbetten sorgt aber jetzt schon für Aufregung. So bildete sich vor kurzem die Bürgerinitiative „Betten retten“. Sie will verhindern, daß im Kreuzberger Urban-Krankenhaus 187 Akutbetten gestrichen werden. „Wir arbeiten jetzt an der Belastungsgrenze. Wenn jetzt auch noch gespart wird, dann können wir die medizinische Versorgung nicht mehr aufrechterhalten“, meint Doktor Carsten Belter, Internist im Urban-Krankenhaus und Sprecher der Bürgerinitiative. Für die Kreuzberger hieße das, daß sie auf weit entfernte Krankenhäuser ausweichen müßten.
Auch Köppl sieht in der Bettenreduzierung im Urban-Krankenhaus eine Verschlechterung des Versorgungsangebots. Er lastet der Senatsverwaltung für Gesundheit an, daß sie die Bettenkapazität falsch berechne: „Man rechnet die Universitätskliniken komplett für den regionalen Bereich mit ein. Das ist aber falsch, weil diese Krankenhäuser viele auswärtige Patienten haben.“ Im Januar, wenn der Krankenhausplan '93 im Abgeordnetenhaus beraten wird, will der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne die regionale Versorgung neu definieren. Die Bürgerinitiative „Betten retten“ sammelt derzeit Unterschriften. Über 1.000 hat man schon, um die Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung zu bewegen, die Kürzungen im Urban-Krankenhaus abzulehnen. Thomas Nagel
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