: Unterm Strich
Aus den reichhaltigen Schriften an die Redaktion, mittels derer wir unserer gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflicht Ihnen gegenüber immer wieder gerne nachkommen, können wir Ihnen heute recht Interessantes vermelden. Das Faltblatt Der Titelschutzanzeiger, Zentralorgan des Patentamts für schwachsinnige Einfälle, gibt bekannt: Nicht mehr zur freien Verfügung für Ihre Magisterarbeiten, Lebensbeichten oder literarischen Debüts stehen ab sofort die Titel: „Wir küssen die Behörden wach“, „Sehen und erben“, „ffn-joy“, „Fitneß op Kölsch“ plus „Fitneß mit Kölsche Mädche“, „Die Mutter der Braut“ sowie die schöne Reihe „Null Fehler“, „0 Fehler“, „Ohne Fehler“, „Kein Fehler“. Letztere wären aber ohnehin nicht in Frage gekommen. Weder für Sie noch für uns.
Unter der zeitlos gültigen Überschrift „Weniger wäre mehr gewesen – Gedanken zum Emissionsplan deutscher Sonderpostwertzeichen 1994“ informiert uns Philatelist Horst E. aus Leipzig in einem einseitigen Traktat: „Die deutsche Bundespost gibt sich große Mühe, durch verschiedene Angebote insbesondere die Jugend an die Briefmarke heranzuführen.“ Am Postschalter gab es daher in den letzten Wochen beispielsweise „das Gesellschaftsspiel Collector, Weihnachtspuzzle und Start-Pakete“. „Damit“, so Herr E., „soll das anfänglich kindliche Sammeln in bewußtes Zusammentragen dieser kleinen graphischen Kunstwerke gelenkt werden. Ein auf jeden Fall lobenswertes Unterfangen, denn die Philatelie braucht die Jugend. Doch dann kommt das Ausgabenprogramm unserer Post, zerstört alle guten Vorsätze. Denn nicht die Masse macht es, möchte man den für dieses Ausgabeprogramm Verantwortlichen zurufen! Das Postministerium muß künftig einen strengeren Maßstab bei der Aufnahme von Wünschen zu Markenehrungen anlegen.“ Genau. Geben Sie's ihnen! Und halten Sie uns weiter auf dem laufenden!
Vor Wochen schon hatten wir Sie darauf hingewiesen, daß London das heißeste Schnäppchenpflaster des Kontinents ist. Stock und Hut von Chaplin und so weiter. Ist also überhaupt nicht unsere Schuld, wenn Sie es versäumt haben, das Klavier zu erstehen, das ein englischer Trödler für schlappe 500 Mark verkaufte. Ist nämlich der Name des jüngsten Sohns von Johann Sebastian Bach eingeritzt. Per Hand. In den Deckel. Und möglicherweise hat sogar Wolfgang Amadeus Mozart darauf gespielt. Als er den alten Bach mal besuchte. Ist natürlich ein Vermögen wert. Nö, unsere Schuld ist das nicht.
Aber für alle, die wie wir, wenig Geld haben und vielleicht deshalb nicht nach London jetten können, die, wie wir, aber trotzdem gerne ein bißchen angeben, gibt es jetzt eine prima Einrichtung: die Artotheken. Gegen einen Versicherungsbeitrag verleihen die echte Kunst. In Berlin z.B. zahlt man für drei Monate Bild oder Skulptur im Eßzimmer grade mal 1,50 DM.
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