Wie gesund ist Schrumpfen?

■ Hamburger Junius-Verlag kann Konkursgefahr abwenden / Alle Festangestellten müssen auf Honorarbasis weiterarbeiten / Kaufverhandlungen mit EVA im letzten Moment gescheitert

Während die elektronischen Medien ihren Siegeszug fortsetzen, und Großverlage mit ihren üppig umworbenen Druckerzeugnissen ihre Umsätze steigern, müssen die Kleinverlage weiter um ihre Existenz kämpfen. Doch heuer beginnt das Jahr plötzlich mit einer guten Nachricht: Nachdem die Gerüchteküche um ein Ende des Hamburger Junius-Verlages im Dezember hochgekocht war, steht nun fest, daß Junius weder Konkurs anmelden noch verkauft werden muß - allerdings um den Preis, daß die bisher fünf Verlagsmitarbeiter ihre festen Arbeitsplätze los sind.

Junius ist seit 1979 fester Bestandteil der Hamburger Verlagslandschaft und hat sich mit Veröffentlichungen zu philosophischen Themen ebenso einen Namen gemacht wie mit der Herausgabe des Hamburger Architekur-Jahrbuches und Schriften des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Diese Kooperationen bescheren dem Verlag relativ geringe Risiken und sind laut Verlagsleiter Rolf Wichmann noch ausbaufähig.

Bis Ende Dezember hatte Wichmann mit der Europäischen Verlagsanstalt (EVA) über einen Verkauf verhandelt. Währenddessen hatte er mit allen fünf Mitarbeitern Aufhebungsverträge abgeschlossen und Abfindungen festgesetzt, denn das sei eine Voraussetzung für die Verhandlungen gewesen. Wichmanns Position bei den Verhandlungen war nicht ungünstig, den obzwar auch Junius die Kostenexplosion in allen Bereichen trifft, hatte der Verlag 1993 immerhin eine Umsatzsteigerung von 30 Prozent zu verbuchen.

Am 30. Dezember aber brach Wichmann die Verhandlungen ab, weil, wie er sagt, einige Bedingungen von seiner Seite aus nicht mehr akzeptabel gewesen seien. Verhandlungspartner Kurt Groenewold von der EVA war allerdings von dem Ende der Gespräche überrascht worden, sagte er gestern gegenüber der taz, denn die Verträge seien bereits unterschriftenreif gewesen, als Wichmann es sich plötzlich leider anders überlegt hätte.

So wie Groenewold vom Ende der Verhandlungen überrascht war, so überrascht waren zuvor die Mitarbeiter, als sie im Dezember über den drohenden Konkurs oder Verkauf des Verlages informiert worden waren und unter diesem Eindruck in die Aufhebung ihrer Arbeitsverträge eingewilligt hatten. Nichts hatte bis dahin auf eine Krise hingedeutet, das Frühjahrsprogramm war in der Druckerei, die Kooperationen mit dem Institut für Sozialforschung und der Hamburgischen Architektenkammer wurden fortgesetzt, als gäbe es keine existentielle Bedrohung. Die Situation habe er aber nicht ausreizen wollen, sondern er habe versucht, ihr frühzeitig entgegen zu wirken, so Wichmann, der diese Gefahr nun mit einer Umstrukturierung im Personalbereich abwenden will.

„Wir müssen den Verlag auf eine andere Basis stellen“, erläutert Wichmann das neue Modell, dem zufolge nun die bisherigen fünf Mitarbeiter auf Honorarbasis weiter dem Verlag zur Verfügung stehen. Zunächst wird der Bereich der Buchherstellung ausgelagert, und auch für die Lektoren sieht Wichmann diese Möglichkeit. So könnten diese als Freie auch Projekte anderer Verlage übernehmen. Das heißt, daß es derzeit zwei feste Mitarbeiter gibt, die den Verlag in der Stresemannstraße organisatorisch tragen: Der Verlagsleiter und eine Volontärin.

Eine knappe Besetzung, besonders, wenn man bedenkt, daß schließlich die Lektoren das Verlagsprofil entscheidend gestalten und im ideellen Sinne das Kapital eines Verlages ausmachen. Doch Befürchtungen dieser Art plagen Wichmann nicht, schließlich habe er die weitere Zusammenarbeit auf Honorarbasis bereits mit drei ehemaligen Mitarbeitern geklärt. Das Frühjahrsprogramm wird ausgeliefert, wie es angekündigt ist, aber wie sieht es mit dem Herbstprogramm aus? „Das weiß ich noch nicht“, so Wichmann, der das Programm so weiterführen will, wie bisher, nur bei kostenintensiven Eigenproduktionen sei nun größere Zurückhaltung erforderlich.

Julia Kossmann