: Unterm Strich
Sie wissen es vielleicht noch nicht, aber die Reisesaison ist eröffnet. Wir empfehlen kleinere Trips durch die Republik und weiter, da gibt es immer etwas zu entdecken. Und überlaufen ist es um diese Jahreszeit garantiert nirgendwo. In Kassel beispielsweise, der Stadt, auf die alle fünf Jahre die allerneueste Kunst geballt herabprasselt, gibt es – wir berichteten mehrfach – die schöne Einrichtung der „Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V.“ mit dem Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur. Dort sind bis zum 13. Februar „Geschmiedete Grabkreuze aus vier Jahrhunderten – Sammlung Sixtus Schmid“ zu sehen. Der Münchner Kunstschmied begann bereits um die Jahrhundertwende die vor allen Dingen im Alpenraum verbreiteten Grabmarterl zu sammeln und vor drohender Verrottung zu bewahren. Volkstümliche Blechbilder, die sie zieren, erschließen unserem Verständnis, daß Friedhöfe „früher keine tristen Todesstätten, sondern Orte heiterer Lebendigkeit“ waren. Und hätten Sie gewußt, daß die Kreuze „frömmigkeitsgeschichtlich“ einen Wendepunkt von der kollektiven Beerdigungsstätte zum individuellen Grabort bedeuten? Natürlich nicht.
Von Kassel aus könnten Sie weiter nach Speyer fahren. Dort steht außer einem eindrucksvollen Kaiserdom (11. Jahrhundert!) das Historische Museum der Pfalz. Vom Zwang befreit, ein potentielles Weihnachtsgeschenk darin zu sehen, können Sie dort bis zum 27. Februar Historisches Blechspielzeug bewundern. 200 Exponate auf 1.000 Quadratmetern – wenn das nichts ist.
Jetzt sind Sie schon so weit, da ist es bis Paris nur noch ein Katzensprung. Dort könnten Sie mithelfen, die nachmittägliche Besucherbilanz des Louvre ein bißchen aufzupeppen. Die Stadt kommt Ihnen dabei entgegen, indem sie die Eintrittspreise für das Mammut-Museum gestaffelt hat. Seit gestern kostet der Eintritt ab 15 Uhr nur noch 20 Franc, am Vormittag dagegen 40 Franc. Sie werden zugeben, daß Sie bei einem zweimaligen Nachmittagsbesuch (für dasselbe Geld!) mehr sehen können als an einem einzigen langen Tag, an dessen Ende Sie eine ägyptische Katze nicht mehr von einer römischen Amphore und den Heiligen Sebastian nicht mehr von Maria Selbdritt unterscheiden können. Am teureren Vormittag gehen Sie statt dessen in den Salon der Provinz-Antiquare in der Nobel-Avenue George V. Rund ein Dutzend für die außergewöhnliche Qualität ihrer Stücke ausgewählte Händler stellen ihre Kostbarkeiten bis zum 30. Juni auf 1.000 Quadratmetern aus. Das erspart Ihnen immerhin die Reise durch die französische Provinz.
Außerdem gehts jetzt weiter nach Dresden, wo Sie mit ein bißchen Glück der 365.001te Besucher der Semperoper werden könnten. Die anderen 365.000 sind alle schon 1993 dagewesen, also etwas Beeilung, die Herrschaften.
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