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■ Ski nordischSpringender Schmerz

Bischofshofen (dpa/taz) – Dritte wären die deutschen Skispringer geworden, wäre das Innsbrucker Bergisel-Springen die olympische Mannschaftskonkurrenz gewesen. Gold ginge nach den Ergebnissen der dritten Konkurrenz der 42. Vier-Schanzen-Tournee (die schon seit vier Jahren offiziell Intertoto-Tournee heißt) an Österreich, Silber gewänne Japan.

Das hatten die Deutschen ganz schnell ausgerechnet, um es dann ebenso schnell wieder für unwichtig zu erklären. „Das Rechenexempel zeigt, was möglich ist, auch wenn ich nicht davon ausgehe, daß die Norweger in Lillehammer zu bezwingen sind“, relativiert Bundestrainer Reinhard Heß das Resultat. „Um das Medaillen-Traumziel zu erreichen, müssen außer Jens Weißflog alle anderen erheblich zulegen, dürfen sich solch routinierte Leute wie Dieter Thoma und Christof Duffner nicht durch die bestimmt auch in Lillehammer stimmgewaltige Kulisse ablenken lassen“, fügt Heß an. Der Trainer weiß ganz genau: „Würde Jens in seiner letzten Saison nicht wieder so erfolgreich springen, stünden wir ganz schön in der Kritik. Die Plazierungen von Innsbruck waren nicht schlecht, doch die dahinter stehenden Leistungen sind verbesserungsbedürftig.“

Außer Weißflog, der hinter dem Österreicher Andreas Goldberger Zweiter wurde, sprangen auch die anderen Deutschen immerhin in die Weltcup-Ränge. Christof Duffner bestätigte als 15. seine guten Trainingsleistungen. Dieter Thoma freute sich über den 17. Platz, da er im ersten Durchgang von leichtem Seitenwind behindert wurde. Nur Gerd Siegmund (Oberhof) war mit seinem 18. Platz unzufrieden. Fast 50 Punkte trennen Weißflog von Duffner als zweitbestem deutschen Springer. Dabei wurde Weißflog von drei der fünf Sprungrichter noch deutlich im Vergleich zum Österreicher Andreas Goldberger benachteiligt. „Es wird immer Diskussionen geben, wenn Menschen Leistungen anderer Menschen beurteilen müssen. Außerdem macht es auch keinen Spaß, wenn man sich über nichts mehr ärgern kann“, hatte ein gutgelaunter Weißflog noch nach dem ersten Tourneespringen in der Jahrzehnte anhaltenden Diskussion über den Sinn der Punktrichter zugunsten der Juroren argumentiert. In Innsbruck dachte er angesichts der augenfälligen Benachteiligung schon anders: „Ich finde es skandalös, wie brutal mich speziell einige Österreicher heruntergewertet haben.“

Der 29jährige Weißflog traf erst am späten Dienstag abend, Stunden nach dem Team, mit Masseur Rudi Lorenz und Mannschaftsarzt Ernst Jakob im Finalort Bischofshofen ein. Zweieinhalb Stunden verbrachte der an einer Zahn-Vereiterung laborierende Weißflog bei der Dopingkontrolle. Fast eineinhalb Liter Wasser füllte er in sich hinein. Ein Bier durfte er wegen der schmerzstillenden Medikamente nicht trinken. Erst gut drei Stunden nach dem Springen saß er auf dem Arztstuhl und ließ den vereiterten Zahn ziehen. Vor dieser Operation hatte er mehr Angst als vor dem Wettkampf. „Es kommt einfach alles zusammen“, klagte er. Seinen Siegeswillen hat Jens Weißflog vor dem letzten Springen auf der größten Tournee- Schanze trotzdem nicht eingebüßt. Vor zehn Jahren gewann er das letzte Mal auf der Schanze in Bischofshofen, aber: „Natürlich will ich die Gesamtführung verteidigen und zum vierten Mal die Tournee gewinnen. Ob es klappt, ist eine ganz andere Sache, denn gehandicapt bin ich schon.“

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