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CIA-Akten über Atomversuche vernichtet

■ Geheimdienst soll Beweise über Menschenversuche mit Radioaktivität zerstört haben / Ministerium unterstützte Atom-Firmen gegen Klagen Strahlen-Kranker

Berlin (taz) – Der amerikanische Geheimdienst CIA hat nach Angaben von US-Wissenschaftlern Akten, die seine Beteiligung an atomaren Menschenversuchen belegen, schon vor Jahren vernichtet. Steven Aftergood, Wissenschaftler bei der Federation of American Scientists, sagte am Dienstag in Washington, die CIA (Central Intelligence Agency) „hat einen großen Teil der Akten 1973 zerstört“.

Der Geheimdienst soll nach Aftergoods Informationen von 1953 bis 1967 geheime Strahlentests durchgeführt haben. Doch alles werde man wegen der Akten-Zerstörung wohl nie erfahren. Auch Akten aus einem Bericht, den der damalige Vizepräsident Nelson Rockefeller 1975 zu dem Thema habe erstellen lassen, seien vernichtet worden. Die britische Zeitung Independent meldet zusätzlich, in internen Memoranden seien die beteiligten Ärzte davor gewarnt worden, das Wort Plutonium in den Mund zu nehmen.

Die Anschuldigungen des Wissenschaftlers passen perfekt in das Bild von Verschleierung und Geheimhaltung, das die atomaren Menschenversuche der USA in den vergangenen Jahrzehnten umgab. Noch im Jahr 1986 hatte die Reagan-Regierung einen Bericht des Kongresses, der über den Mißbrauch von Menschen berichtete, abgelehnt. Der Bericht mit dem Titel „Amerikas atomare Versuchskaninchen: Drei Jahrzehnte von Atomversuchen mit US-Bürgern“ war damals von einem Ausschuß unter Vorsitz des demokratischen Abgeordneten Edward Markey vorgelegt worden.

Im November 1993 hatte eine Lokalzeitung in New Mexico bislang geheimgehaltene Akten über einen Versuch, bei dem achtzehn Krebskranken Plutonium gespritzt worden war, veröffentlicht. Sieben davon waren nach dieser Behandlung schneller als erwartet gestorben.

Die Behörden hatten die Akten unter dem sogenannten Freedom of Information Act herausrücken müssen. Dieses Gesetz sieht vor, daß US-Behörden Dokumente nur unter strengen Auflagen geheimhalten dürfen.

Im Dezember hatte US-Energieministerin Hazel O'Leary dann Informationen über Menschenversuche mit rund 800 US-Bürgern veröffentlicht. Der Druck auf die Clinton-Regierung verstärkte sich.

Am Montag schließlich hatte Präsident Bill Clinton die Bildung einer interministeriellen Arbeitsgruppe bekanntgegeben, die die geheimgehaltenen Akten zu den Versuchen aufarbeiten soll. Der CIA ist an dieser Arbeitsgruppe nicht unmittelbar beteiligt, obwohl die Regierung besorgten Abgeordneten versichert hatte, daß auch die Fehler und möglichen Verbrechen des Geheimdienstes mit untersucht werden sollten. Gleichzeitig wurde bekannt, daß das Energieministerium in den vergangenen drei Jahren noch 50 Millionen Dollar (80 Millionen Mark) ausgegeben hatte, um Firmen, die Atomanlagen für das Ministerium betreiben, vor den Klagen von Atomarbeitern und Zivilisten wegen Strahlenschäden zu schützen. Hermann-Josef Tenhagen

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