: „Unzumutbar, dort weiter zu wohnen“
■ Neue Runde im Verfahren um Fluglärm am Hamburger Airport Von Kai von Appen
Hoffnungen für die Familie Kray aus Langenhorn im Fluglärm-Prozeß gegen den Hamburger Flughafen vor dem Hamburger Landgericht. Richter Detlev Timmermann deutete gestern an, daß die Familie gute Aussichten habe, den Rechtsstreit zu gewinnen. Grund: Der Flughafen wird möglichweise ohne gültiges Planfeststellungsverfahren betrieben.
In dem Rechtsstreit geht es um die Wertminderung des Kray-Grundstückes am Rüümk aufgrund des stetig steigenden Flugverkehrs. Die Familie hatte das Terrain am Airport 1982 erworben. Damals war das Haus von einer Baumgruppe und anderen Häusern umgeben. Ein Bunker auf dem Flughafengelände hielt überdies das Gros des Lärms zurück.
Mittlerweile hat sich vieles verändert. Der Bunker ist verschwunden, die Bäume sind gefällt und die Häuser sind weg. Die Krays gucken direkt auf die „Landebahn 23“. Die Starts und Landungen sind überdies von 110.000 im Jahr auf derzeit 145.000 Flugbewegungen jährlich angestiegen. Tendenz: Steigend. Wenn ein Jet knapp über das Kraysche Häuschen schwebt, kann man nicht einmal mehr die Rundfunknachrichten verstehen.
Seit Jahren klagt die Familie nun gegen die Flughafen GmbH, die ihr Grundstück kaufen soll. 320.000 Mark Entschädigung fordern die Krays für Haus und Hof. Doch die Airportverwaltung winkt ab und behauptet, die Lärm-Emission nehme durch die modernen „Flüsterjets“ ab.
Dem möchte Richter Timmermann nun auf den Grund gehen. Zu diesem Zweck wird das Gericht einen Gutachter benennen, der die tatsächliche Lärmbelastung mißt. Dabei sollen nicht nur die durchschnittliche Dezibel-Dauerbelastung errechnet werden – wie es die Flughafenverwaltung immer gern macht – sondern auch die Impuls- und Spitzenwerte festgehalten werden. Meßlatte ist für Timmermann ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom März 1993. Der BGH hatte damals entschieden, daß eine Dauerbelastung von 75 Dezibel am Tag und 65 Dezibel in der Nacht die Grenze des Erträglichen ist. Timmermann: „Kommen wir in diesen kritischen Bereich, werden wir uns an Ort und Stelle einen Eindruck verschaffen.“
Im Gegensatz zur Argumentation der Flughafenverwaltung ist für das Gericht die Tatsache, daß die Familie Kray schließlich 1982 freiwillig in die Flughafengegend gezogen sei, unerheblich. Das Gericht hat nämlich festgestellt, daß der Flughafen auf Grundlage eines Planfeststellungsbescheides von 1962 betrieben werde. Der geht aber nur von 114.000 Flugbewegungen aus. Timmermann: „Dieser Bescheid wird nicht den hohen Ansprüchen gerecht, wie es der Gesetzgeber jetzt sieht.“
Der Ausbau des Airports sowie der Anstieg des Flugverkehrs sei damals nicht abschätzbar gewesen. Einen neuen Planfestellungsbescheid, der längst überfällig sei, habe es aber nie gegeben, obwohl durch den Ausbau der Landebahnen die Starts und Landungen in unmittelbare Nähe des Krayschen Hauses verlegt worden seien. „Im Prinzip dürfte da kein Grundstück liegen.“ Für Timmermann ist daher entscheidend: „Ob der Fluglärm Auswirkungen auf das Grundstück hat, die es unzumutbar machen, dort weiter zu wohnen.“
Der Prozeß wird fortgesetzt.
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