: Wenn der Babysitter fehlt
■ BRD-Team dümpelt weiter hinterher / Same procedure as every year, Sigi
Das 15. Bremer Volleyballnationenturnier der Frauen ist vorbei, das deutsche Team landete auf dem 4. Platz. Aber was heißt das? Erst einmal nicht viel. Wieder einmal zeigte sich, daß die BRD-Auswahl (noch) meilenweit von der Weltspitze entfernt ist. Aber das kennen wir schon aus den vergangenen Jahren.
Wer Bundestrainer Siegfried Köhler auf die Zukunft seiner Auswahl anspricht, muß seine Worte mit Bedacht wählen. Der Mann ist dünnhäutig geworden. Der nationale Verband kann ihm offensichtlich bei der Durchsetzung seiner Vorstellungen nicht helfen, und die einzelnen Vereine wollen nicht. Er habe sich den Mund fusselig geredet, erklärt er mit pessimistischem Blick, aber geholfen habe es kaum.
Was will der Trainer? Erst mal Zeit. Mindestens fünf Monate möchte er seine Spielerinnen im Jahr um sich haben. Und er besteht auf einem wesentlich höheren Trainingsaufwand in den Bundesliga- Vereinen. 25 Wochenstunden seien da das Minimum, fordert Köhler. Aber er weiß auch, daß er gegen Windmühlen kämpft. Die Berufsausbildung gerade der Ex- DDR- Spielerinnen (die nach dem Rücktritt der meisten West-Akteure ohnehin das Gros stellen) hat eindeutig Vorrang. Ebenso die finanzielle Absicherung. Wenn es ein Sportverband mit Blickrichtung auf die Olympischen Spiele in Atlanta 1996 nicht einmal fertigbringt, für einen Babysitter für das Kind einer Leistungsträgerin zu sorgen, und diese deshalb nur die Hälfte des Bremer Turniers mitspielen kann, gleicht das einem Armutszeugnis.
Gute spielerische Ansätze sind vorhanden. Mit der Zustellerin Ines Pianka steht eine feste Größe im Team. Sie wurde gestern sogar zur besten Zuspielerin des Turniers gewählt. Susanne Lahme, die in Italien mit Volleyball ihr Geld verdient, Christina Schulz und Ute Steppin sind verläßliche (und vor allem großgewachsene) Kräfte im Angriff. Silke Roll, Hanka Pachale oder Jaqueline Riedel heißen die Hoffnungen für Olympia.
So heißt es mal wieder abwarten, was aus diesem Potential wird. Das gleiche gilt übrigens für das Bremer Turnier. Abermals wurden die Organisatoren in den höchsten Tönen zurecht gelobt. Es gab großartigen Volleyball-Sport zu sehen, das Team aus Brasilien war sogar eine Augenweide an Athletik und Spielkunst. Aber was im nächsten Jahr sein wird, steht in den Sternen. Kein Sponsor, kein Grand-Prix- Status, nicht genug Fernseh-Sendeminuten, und alles könnte hin sein. Und das wäre nun wirklich jammerschade. Jürgen Francke
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