: Zwangsspenden für TuS Walle
■ Ehemaliger Brüggemann-Mitarbeiter packte vor Gericht aus
In seiner Firma Contracta Rohstoffhandel muß der ehemalige Sponsor des TuS Walle Bremen, Volker Brüggemann, residiert haben wie ein Kurfürst. Am vierten Verhandlungstag im Betrugsprozeß gegen die Warenterminhändler Brüggemann, Birr und andere (Schaden: rund 19 Mio. Mark) sagte gestern der Mitangeklagte Klaus D. aus. Er war bis 1987 fünf bis sechs Jahre zunächst Telefonverkäufer, später eine Art Obertelefonverkäufer bei der Contracta und plauderte gestern vor der VI. Großen Strafkammer beim Landgericht Bremen aus dem Nähkästchen.
Da sei „auf Zucht und Ordnung“ geachtet worden, und wer als Telefonverkäufer einen Fehler gemacht habe, sei mit „Zwangsspenden für den TuS Walle“ zwischen 500 und 3.000 Mark bedacht worden. Bei Beschwerden oder Widerspruch wurde die Strafe mitunter verdoppelt. „Wehren konnte man sich dagegen nicht, denn das Geld wurde gleich einbehalten“, erzählte D.
Auch habe es fünf bis sechsmal pro Jahr gemeinsame Wochenenden mit Brüggemann und seinen Firmenmitarbeitern gegeben. Wer seine Teilnahme verweigern wollte, habe Provisionsabzug bekommen. „Wozu diese Ausflüge gut gewesen sein sollen, weiß ich bis heute nicht“, erzählte D. weiter. Die „Firmenausflüge“ mit Zwangsverpfichtung gingen per Zug in den Harz oder per Flieger nach Budapest und London. „Da wurden immer Wetten abgeschlossen über die Provisionen. Die waren aber von vornherein so hoch, daß man sie nicht erreichen konnte.“ Das Ergebnis: Die Mitarbeiter mußten laut D. wegen der „verlorenen Wette“ die Firmenreise aus der eigenen Tasche bezahlen. Auch zu Ausflügen ins Spielcasino hat Brüggemann nach Aussage D.s Mitarbeiter zwangsverpflichtet und gelegentlich sogar den Mindesteinsatz vorgeschrieben. D. berichtete von einem Fall, wo ein Mitarbeiter 2.000 Mark in das Spielcasino in Bad Zwischenahn mitzubringen hatte. Gemeinsame Ausflüge zu den Spielen des TuS Walle waren obligatorisch, die Mitgliedschaft in einem „Förderverein Walle“ mit 50 Mark Beitrag pro Monat ebenfalls.
Den Telefonverkäufern war die Lektüre des Handelsblattes mit den Börsennotierungen streng verboten. Etwa 12 Telefone für die „Kundenakquise“ standen bei der Contracta bereit, die Telefonwerber seien in drei bis fünf Tagen „ausgebildet“ und zunächst bei der Telefonwerbung abgehört worden, um mögliche „Beratungsfehler“ zu vermeiden. Zwischen acht und zehn Prozent haben die Telefonverkäufer an ihren Umsätzen verdient. D. selbst gab an, im Schnitt 12.000 bis 15.000 Mark wöchentlich verdient zu haben. „Spitze waren 70.000 Mark.“
Von dem Einsatz der Kunden (mindestens 20.000 Mark) seien 45% bei der Contracta verblieben. Ob das Restgeld tatsächlich angelegt worden sei, konnte D. nicht sagen. „Wir haben später nur einen schriftlichen Bescheid über die Geldanlage bekommen. Über den tatsächlichen Verbleib des Geldes weiß ich nichts.“
Die Kunden für die spekulativen Warentermingeschäfte seien aus dem Telefonbuch gesucht worden. Angeworben wurden Selbständige aller Couleur, sagt der Telefonwerber. Gewinne, wenn sie denn vorkamen, „wurden sofort wieder angelegt.“
Dreh- und Angelpunkt der Contracta sei Brüggemann gewesen, der auch schon mal Mitarbeiter „an die Wand gedrückt und gedroht hat: Dich mach ich platt, wenn das und das noch einmal vorkommt“. Hans- Wilhelm (Eddi) Birr dagegen soll „zu Geschäftszeiten selten anwesend“ gewesen sein und lediglich „als graue Eminenz durch die Räume geschwebt sein“. Brüggemann und Birr hätten aber ein gemeinsames Büro gehabt. mad
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