Sanssouci: Nachschlag
■ "Gegen Guggenheim" - Uraufführung im bat-Studiotheater
Es gibt kaum etwas Schwierigeres für eine Bühnenfigur als das Überleben in einer Farce. Andauernd können Zufälle ihr Schicksal kreuzen, und dabei ist ihnen noch nicht mal unser Mitgefühl sicher. Denn, so wußte schon Eric Bentley trefflich zu definieren: „Der Farcenautor zeigt die Menschen nicht ein bißchen unterhalb der Engel, sondern kaum oberhalb der Affen.“
Ein bißchen unterhalb der Affen sind Katharina Gericke die Figuren in „Gegen Guggenheim“ geraten. Sechs Typen, so unergründlich und unterschiedlich wie ihre Namen. Zack ist ein zackiger Autonomer, Oli Ola & Moma Ola tranige, bürgerbewegte Ossis, Nera eine Emma lesende Tussi mit modischen Plateausohlenschuhen, Libert der smarte Geschäftsmann mit Funktelefon und Fräulein Sauer Plastiktaschenbesitzerin und Cordhosenträgerin. Zusammengeführt hat sie Katharina Gericke nur, damit sie sich zu unserem Vergnügen wieder voneinander trennen. Ihr Einfall nach einer Idee der Regisseurin Maike Techen: Als Mitglieder der „Heimart e.V.“ tritt der bunte Haufen in den „Hungerausstand“, um im Keller der Oranienburger Straße die Dependance des Guggenheim Museums zu verhindern. Dabei geraten sie naturgemäß aneinander und bringen sich naturgemäß um. Am Ende errichtet Guggenheim aus den 1:1-Kopien der Leichen ein Memorial für die Opfer der Stasi. Schlußpointe!
So weit, so wenig. Gericke hat diesen Seidenfaden einer Handlung mit allerhand leichten Witzchen und leichter Musik drapiert. Libert sagt zum Beispiel immer „Tschauiiie und hahaha“, die Ossis wittern überall „Spitzel“, und Zack grölt „Wir sind alle Ausländer“ mit erhobener Anarchofaust. Auch die Regisseurin Maike Techen bemüht alle Instrumente der Lustigkeit. Zusammenkrachende Klappliegen, eine Arie aus Lohengrin, die ein zu Tode Erstochener mit erstaunlich lebendiger Kraft schmettert. Im bat entkommt niemand ihrem Witz.
Man kann Katharina Gericke nicht vorhalten, daß sie statt einer Tragödie eine Farce geschrieben hat. Das ist überhaupt nicht verwerflich. Verwerflich ist allerdings, eine schlechte Farce zu schreiben – schlecht, weil das Entscheidende fehlt, was eine gute Farce gut und lebendig macht. Ein Herz, eine dramaturgische Pumpe. Sie sind nie bloß witzig, um witzig zu sein, sondern witzig, um gefährlich zu sein. Statt Klischees zu verdoppeln, befiehlt Dario Fo, sollen Klischees gesprengt werden. Im bat wird nur die zerstrittene bunte Kunstszene als bunte zerstrittene Kunstszene enttarnt: so bedrohlich wie eine Konfettikanone. Dirk Nümann
„Gegen Guggenheim“, am 19. und 25.1., 19.30 Uhr, im bat-Studiotheater, Belforter Straße 15, Prenzlberg. Tel.: 442 79 96
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