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Bewährte Hausmittel Klaudia Brunst

Seit geraumer Zeit hat meine Freundin Schlafstörungen. Der Streß auf der Arbeit säße ihr im Nacken, meint sie. Mit dem Hund, der immer noch urintechnisch auf eine 1-Uhr-30-Runde angewiesen ist, habe das weniger zu tun. Jedenfalls wurde der störungsfreie Durchschlaf meiner Freundin zum allmorgendlichen Frühstücksthema. Minutiös referierte sie mir Brötchen für Brötchen, wann sie wie lange wach gelegen habe, woran sie während der nutzlos verbrachten Wachzeit denken mußte – und daß das endlich aufhören müsse. Dem konnte ich nur zustimmen. Früher waren unsere Tischgespräche nämlich weitaus abwechslungsreicher gewesen.

In mütterlicher Sorge präparierte ich ihr am folgenden Abend eine Wärmflasche. Aber wie sich herausstellte, war das keine Lösung: Der Verschluß drückte eine Nacht lang auf die verspannte Rückenmuskulatur meiner Freundin, so daß sich am nächsten Morgen zu den tiefen Augenrändern nun auch ein hartnäckiger Kopfschmerz an unseren Frühstückstisch gesellte.

Aus eigener Erfahrung empfahl ich für die kommende Nacht das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm als sichere Einschlafhilfe, bot mich sogar an, nach der Runde mit dem Hund das Gerät auszuschalten, aber meine Freundin wollte partout nicht auf der Couch nächtigen – und das Zweitgerät im Schlafzimmer habe ich noch nicht durchsetzen können.

Eine Kollegin empfahl ihr Baldriantropfen. Die seien pharmakologisch harmlos, aber von durchschlagender Wirkung. Mit Todesverachtung schluckte meine Freundin den nach Fäulnis riechenden Kräutermix – und war wirklich schon Minuten später deutlich ruhiger. Schlafen konnte sie allerdings immer noch nicht. Klaglos übernahm ich wieder die nächtliche Gassirunde und besorgte am nächsten Tag eine große Flasche „Klosterfrau Melissengeist“. Das sei die Fortsetzung des Baldrians mit anderen Mitteln, hatte die Apothekerin erklärt.

Und wirklich, kaum hatte meine Freundin den hochprozentigen Melissengeist geschluckt, verdrehte sie schon selig ihre Augen, bat beängstigend träge nun doch wieder um eine Wärmflasche („Vielleicht hilft's ja heute“) und dämmerte bald dahin. Als ich und der Hund gegen zwei Uhr auf leisen Sohlen das Schlafzimmer betraten, war es allerdings vorbei mit dem Durchschlafen. Ob wir denn nicht etwas leiser sein könnten, fragte meine Freundin verärgert und zählte den Rest der Nacht wieder Schäfchen.

Seit einer knappen Woche hat sie nun endlich die perfekte Lösung für ihr Schlafproblem gefunden. Mit Wärmflasche, einer Tasse „Klosterfrau“ und einem Päckchen Ohropax bewaffnet, zieht sie sich am frühen Abend ins Schlafzimmer zurück, schaut noch ein Stündchen Vorabendprogramm (das Gerät steht jetzt neben ihrem Bett) und verfällt dann in einen unwiderrufbaren 12-Stunden-Schönheitsschlaf. Ich verbringe die Abende jetzt notgedrungen lesend – „das tut dir mal ganz gut“, findet meine Freundin – und führe den Hund vor der Nachtrunde nun auch um 18 Uhr, um 20.30 Uhr und um 21.45 Uhr aus. Gestern nahm mich meine Kollegin mit besorgtem Blick beiseite. Ich sei neuerdings immer so unausgeschlafen, meinte sie, ob das der Streß auf der Arbeit sei? Und sie kenne da übrigens ein bewährtes Hausmittel...

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