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Italiens Ministerpräsident bietet Rücktritt an...

■ ...damit der Staatspräsident ihn zum Weitermachen verdonnern und Neuwahlen ausschreiben kann / Mißtrauensantrag im Parlament zurückgezogen

Rom (dpa/AFP) — Der italienische Ministerpräsident Carlo Azeglio Ciampi hat am Donnerstag den Rücktritt seiner Regierung erklärt und damit den Weg für Neuwahlen in Italien feigemacht. Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro behielt sich eine Entscheidung über den Schritt Ciampis zwar vor, dennoch wurde in Rom damit gerechnet, daß das Staatsoberhaupt noch in dieser Woche das Parlament auflöst und den Wahltermin festsetzt. Als wahrscheinlichstes Datum gilt der 27. März.

Der Rücktritt der 52. italienischen Nachkriegsregierung, die gut acht Monate im Amt war, wurde nach einem Gespräch Ciampis mit Scalfaro bekanntgegeben. Vorausgegangen war eine zweitägige turbulente Vertrauensdebatte im Abgeordnetenhaus, die der parteilose Ministerpräsident nutzte, um die „politischen und wirtschaftlichen Erfolge“ seiner Amtszeit vor allem bei der Sanierung der Staatsfinanzen und beim Kampf gegen die Kriminalität hervorzuheben.

Starke Kräfte im Parlament, vor allem aus den langjährigen Regierungsparteien Christdemokraten und Sozialisten, versuchten auch am Donnerstag weiter, frühe Neuwahlen zu verhindern. Kurz vor Ende der Debatte hatte der Radikale Marco Panella den von ihm eingebrachten Mißtrauensantrag zurückgezogen. Eine Gruppe anderer Parlamentarier wollte Ciampi dann ausdrücklich das Vertrauen aussprechen, um zu belegen, daß die amtierende Regierung nach wie vor eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus hat.

Der frühere Notenbankchef Ciampi hatte bereits bei seinem Amtsantritt sein stark mit unabhängigen Fachleuten besetztes Kabinett als Übergangsregierung bezeichnet, die vor allem die im Referendum vom 18. April 1993 geforderte Reform des Wahlrechts umsetzen sollte. Nach der Verabscheidung des neuen Mehrheitswahlrechts sowie des Haushaltsgesetzes für 1994 sah Ciampi (73) seinen Regierungsauftrag als beendet an. Bei den Neuwahlen will er nicht kandidieren.

Das im April 1992 gewählte Parlament entspricht schon lange nicht mehr dem Volkswillen. Denn nach den verheerenden Niederlagen der Christdemokraten und der Sozialisten bei den Kommunalwahlen im November und Dezember sagen Umfragen für beide Parteien katastrophale Ergebnisse auch bei Parlamentswahlen voraus. Zur stärksten Partei könnte die ex-kommunistische PDS werden, die noch nie an der Regierung beteiligt war. Mit großen Gewinnen rechnet auch die Liga Nord.

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