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Ideologie und Ökonomie des Car-Sharing

■ Vom guten (umweltpolitischen) Willen zur GmbH / Wissenschaftliche Begleitung des Projektes „Stadtauto“

Wissenschaft muß nicht lebensfern sein. Der Bremer Sozialwissenschaftler Thomas Krämer-Badoni hat mit seinen Studien zum „Leben ohne Auto“ weit über Bremen hinaus die verkehrspolitische Diskussion angeregt. Kein Zufall, daß 13 seiner StudentInnen nun praktische Sozialwissenschaft lernen am Beispiel einer Studie über die gesellschaftliche Akzeptanz des „Car-Sharing“. Ausgewertet wurden alle „Fahrtenzettel“ aus dem Jahr 1991, die die Mitglieder und Nutzer der Bremer „Stadtautos“ für die jeweilige Abrechnung ausfüllen müssen. Im April 1991 wurden Fragenbogen an die damals 176 Mitglieder verschickt. Die Ergebnisse liegen jetzt vor – erfaßt wurde damit sozusagen die Pionierzeit des Bremer „Stadtauto“- Vereins, der im November 1990 ins Leben gerufen worden war und der zum Ziel hatte, die gemeinschaftliche Nutzung von PKW's professionell zu organisieren. Heute stehen den 340 Mitgliedern insgesamt 24 über das Stadtgebiet verstreut parkende Autos zur Verfügung, darunter ein behindertengerechtes Auto und ein Kleinbus.

Wer Geld hat, fährt Fahrrad, ÖPNV und „Stadtauto“

Ergebnis der Studie über die Anfänge dieser Initiative: „Stadtauto“ war eine Idee für den gebildeten, ökologisch motivierten Mittelstand. Über 80 Prozent der Stadtauto-Mitglieder haben Hochschulabschluß oder Hochschulreife, 40 Pozent kommen aus dem knappen Viertel der Gesellschaft, das über ein Haushaltseinkommen von mehr als 4.000 Mark verfügt.

Die typische Stadtauto-NutzerIn „braucht“ das Auto ein- bis dreimal die Woche zwischen drei und vier Stunden, vonehmlich vormittags oder nachmittags zum Einkaufen oder zum Transport von größeren Gegenständen. Mit weitem Abstand in der Statistik der Nutzung folgt dahinter das Motiv „Besuch bei Verwandten auf dem Lande“ oder „Fahrt mit Kindern“. Umgekehrt heißt das: Wer für den Weg zur Arbeit einen PKW braucht oder meint zu brauchen, für den will Stadtauto kein Angebot sein und ist auch keines. Von der Idee des Car- Sharing fühlen sich vor allem die angesprochen, deren privater PKW 20 Stunden am Tag und/oder sechs Tage die Woche zu Hause herumsteht.

Klar ist, daß Stadtauto-Mitglieder eher dazu neigen, wenns eben geht und vor allem für kurze Strecken aufs Fahrrad zu steigen. Die überwiegende Zahl der Mitglieder lebt zudem in Stadtvierteln mit guter Anbindung an Bus und Bahn. Das Stadtauto wird dann zur Restmöglichkeit: 50 Prozent der Fahrten führen über längere Strecken als 32 Kilometer.

Daß ein eigenes Auto direkt vor der Haustür ganz bequem sein kann, stößt Stadtauto-Mitgliedern dementsprechend vor allem beim Wunsch nach „spontanen Fahrten“, „bei schlechtem Wetter“ und bei längeren Urlaubsfahrten auf. Die Mehrzahl der Stadtauto-Mitglieder, die den eigenen PKW abgeschafft haben, mußten die Urlaubsplanung diesem Leben ohne Auto anpassen. Anfangs war es ein Bestandteil des Vertrages, daß neue Mitglieder sich verpflichten mußten, ihr Auto – falls eines vorhanden – innerhalb eines halben Jahres abzuschaffen. Diese Bestimmung, deren Kontrolle Probleme aufgeworfen hätte, wurde 1992 aufgehoben: Sie brachte mehr Arbeit als Wirkung, weil sie nur für ganz wenige Mitglieder Bedeutung hatte. Selbstredend macht Car-Sharing keinen Sinn, wenn man über ein eigenes Auto verfügt.

Berlin gegen Bremen: Professionell ist billiger

Zur Ökonomie des „Car-Sharing“ schweigt sich die Untersuchung leider aus. In Bremen hat sich die Mitgliederzahl seit dem Untersuchungs-Stichtag (April 1992) auf ca. 340 verdoppelt, mit 24 Autos ist das Verhältnis Nutzer/ PKW's (15:1) etwa gleich geblieben. Die Verwaltungsarbeit wird auf Honorarbasis geleistet, eine feste Stelle ist bisher nicht drin. Die „Buchung“ ist rund um die Uhr möglich (bei der Taxi-Zentrale Nord).

Zum Vergleich: In kleineren Car-sharing-Firmen ist das Verhältnis mit Nutzer/PKW's mit ca. 10:1 „besser“ bzw. im Sinne der Idee schlechter. „Nachbarschaftsauto Dortmund“ etwa hat 100 Nutzer und 10 PKW's, eine „Buchung“ ist nur zu bestimmten Zeiten möglich – zwischen 10 und 17 Uhr „bemühen“ sich die meist nur ehrenamtlich tätigen Kräfte, im Büro am Telefon präsent zu sein.

Aus dem Stadium ist das Bremer Car-sharing hinaus. Man „siezt“ die Kunden selbstverständlich, aus der ökologisch motivierten Initiative ist eine Dienstleistungs-Firma geworden. Während die Dortmunder nur 27 Pfennig pro gefahrenem Kilometer (inkl. Benzin) kassieren – damit läßt sich schwerlich ein PKW finanzieren, nehmen die Bremer realistische 40 Pfennig. Das Grundkapital des Car-sharing kommt durch eine „Kaution“ (in Bremen 500 Mark, mit 4 Prozent verzinst) zusammen, die jedes Mitglied hinterlegen muß.

Die älteste und größte Car-sharing-Firma existiert in der größten bundesdeutschen Stadt: in Berlin. 1300 Mitglieder teilen sich da 96 Autos (15:1), da in Berlin die meisten Fahrten aber „Freizeitfahrten“ sind, werden beim Einsetzen des schlechten Wetters für den Winter 20 Autos abgemeldet. Mit 10 Mark Mitgliedbeitrag pro Monat und nur 25 Pfennig pro Kilometer (incl.Benzin) für einen kleinen PKW sind die Berliner „Stadtautos“ auch billiger für die Mitglieder – die größere Organisation und das hauptamtliche Management ermöglichen offenbar eine bessere Auslastung. Umgekehrt „verführen“ die geringen Kilometer-Pauschalen auch zu Freizeitfahrten, und das ist vielleicht im Sinne der Ökonomie der Stadtauto-GmbHs, nicht aber der ökologischen Urspungsidee.

Das Berliner Konzept ist offenbar erfolgsorientiert: Die Mitgliedschaft wächst kontinuierlich, im Jahr um mehr als 300. Ein Sättigungsgrad, schätzen die Leute von Stadtauto, ist nur bei den ökologisch motivierten „Gesinnungstätern“ erreicht, keineswegs bei den weniger Informierten, die von der Kosten-Nutzen-Kalkulation einer Abschaffung des privaten PKW und der Botschaft des bequemen Service durch professionelles Car- Sharing überzeugt werden müssen.

K.W.

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