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Ukrainische Atomschwerter zu US-Dollar

■ Abkommen in Moskau: Die Ukraine gibt ihre Atomwaffen auf / Milliardenkompensation für Abrüstung / Konflikte in Kiew erwartet

Berlin/Moskau (taz/dpa/AFP) – Die Präsidenten der Ukraine, Rußlands und der USA haben gestern in Moskau ein Abkommen unterzeichnet, das die Abrüstung der ukrainischen Atomwaffen innerhalb der kommenden sieben Jahre vorsieht. Im Gegenzug für den von der Ukraine lange verweigerten Schritt gibt es Wirtschaftshilfe und Sicherheitsgarantien. Die Präsidenten Krawtschuk, Jelzin und Clinton sprachen in einer Erklärung von einem „bedeutenden Sieg für alle drei Länder“.

Als erster Schritt sollen binnen zehn Monaten mindestens 200 Sprengköpfe von SS-19- und SS-24-Langstreckenraketen aus der Ukraine nach Rußland gebracht werden, um dort unter ukrainischer Überwachung vernichtet zu werden. Dafür zahlen die USA 60 Millionen Dollar. Die insgesamt etwa 1.800 Atomsprengköpfe der Ukraine sollen in den kommenden Jahren komplett vernichtet werden, wie auch diejenigen Kasachstans und Weißrußlands. Das hochangereicherte Uran darin soll in gering angereichertes verwandelt und für 12 Milliarden US-Dollar (20,5 Milliarden Mark) an die „United States Enrichment Corporation“ verkauft werden. Dieses Geld wird dann zwischen Rußland, der Ukraine, Weißrußland und Kasachstan aufgeteilt.

Formal gesehen bedeutet das Abkommen, daß die Ukraine uneingeschränkt den Start-I-Vertrag anerkennt, den die USA und die Sowjetunion im Jahr 1991 abgeschlossen hatten. Darin war festgelegt worden, die Zahl der Atomsprengköpfe auf strategischen Waffen bis 1997 auf jeweils 6.000 zu verringern. Mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde vereinbart, daß die Sprengköpfe in der Ukraine, Weißrußland und Kasachstan vernichtet und die in Rußland auf 6.000 verringert werden. Weißrußland und Kasachstan akzeptierten dies, bisher jedoch nicht die Ukraine; das Parlament in Kiew ratifizierte Start I schließlich im vergangenen November, beharrte jedoch auf dem Status der Ukraine als Atommacht. Diesen Anspruch hat Krawtschuk nun aufgegeben.

Jetzt ist eine Kraftprobe zwischen Krawtschuk und dem im März neu zu wählenden ukrainischen Parlament zu erwarten. Der Führer der nationalistischen „Ruch“-Bewegung, Wjatscheslaw Tschornowil, sprach bereits von „Landesverrat“. Nationalistische Abgeordnete drohen dem Präsidenten mit einem Amtsenthebungsverfahren. Am Donnerstag wird das Parlament über den Vertrag beraten.

Krawtschuk verweist zusätzlich auf die Sicherheitsgarantien in der amerikanisch- russisch-ukrainischen Erklärung. Die drei Präsidenten bekräftigen die „territoriale Integrität jeder Nation“. Die Grenzen der Ukraine seien zu respektieren und könnten „nur mit friedlichen Mitteln und im gegenseitigen Einvernehmen“ verändert werden. Die Brisanz dieser Erklärung könnte sich schon in den nächsten Tagen erweisen: Am Sonntag wird auf der zur Ukraine gehörenden und mehrheitlich von Russen bewohnten autonomen Krim- Halbinsel ein Präsident gewählt: Man rechnet allgemein mit dem Sieg eines rußlandfreundlichen Kandidaten. Seiten 8 und 10

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