: Senator Nagel beugt sich Daimler-Benz
■ Vorerst gibt es keine Erhebung einer Nahverkehrsabgabe / Stellplatzablöse ohne Ersatz / Verzicht auf Millionen Mark
Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) ist kein Mann fester Entschlüsse. Im Frühjahr 1992 hatte er vollmundig verkündet, daß er in der Frage der Autostellplätze für Daimler-Benz am Potsdamer Platz nicht mehr mit sich handeln lasse. Die Ablösesumme für nicht gebaute Stellplätze seien für den S- und U-Bahn-Bau bestimmt. Inzwischen hat sich Nagel gebeugt: Zur Zeit beraten die Bürgermeister eine Senatsvorlage zur Abschaffung der Stellplatzpflicht. Eine alternative Finanzquelle für S- und U-Bahn ist allerdings nicht in Sicht.
Das „Investitionshemmnis“ Stellplatzablöse (O-Ton Nagel) zu beseitigen, hatte der Senat im Dezember beschlossen. Und nicht nur das. „Noch in dieser Legislaturperiode wird eine Senatsentscheidung über eine Nachfolgeregelung zur Beteiligung von Investoren an der Finanzierung von Kosten für Einrichtungen des öffentlichen Nahverkehrs getroffen“, hieß es. Inzwischen übt sich die federführende Senatsverwaltung in Lethargie. Wie der Sprecher der Behörde, Klaus-Hubert Fugger, erläutert, bestehe vielmehr „der politische Wille, daß in den nächsten drei Jahren den Investoren Luft verschafft wird“. Deshalb habe man „keine große Eile“, eine Nahverkehrsabgabe in Gesetzesform zu gießen. Diese solle erst gelten, „wenn für Investoren die Situation stabiler ist“, etwa bis 1998. Wird kein Ersatz gefunden, tritt die alte Stellplatzverordnung in Kraft.
Das Land Berlin verzichtet mit der ersatzlosen Streichung der Stellplatzablöse allein bei den Bauvorhaben am Potsdamer Platz auf rund 300 Millionen Mark. Das Bündnis 90/Grüne hatte darin bereits eine verdeckte Subventionierung erkannt und die Wettbewerbshüter der EG alarmiert. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion, hält zwar „eine Abschaffung der Stellplatzpflicht aus ökologischen und verkehrspolitischen Gründen für nötig“, fordert jedoch einen adäquaten Ausgleich. Selbst der ADAC gibt Rückendeckung.
Das Bündnis 90/Grüne will die Investoren zukünftig auf die Zahlung einer „Verkehrsinfrastrukuturabgabe“ verpflichten, da sich der Wert ihrer Grundstücke ja auch nach der verkehrstechnischen Anbindung bemesse. Deren Höhe solle „deutlich unter den Ablösebeträgen für nicht gebaute Stellplätze“ liegen. Sie soll zwischen 7.000 Mark je 100 Quadratmeter Wohnfläche bei Mehrfamilienhäusern und 25.000 Mark je 100 Quadratmeter bei Büroräumen sowie Laden- und Verkaufsflächen liegen. Mit dieser einmaligen Zahlung soll der Zuwachs an Stellplätzen reguliert werden. Cramer will darüber hinaus eine jährlich zu entrichtende Abgabe einführen, die sich nach der Zahl der Arbeitsplätze richtet. Ein solches Modell heißt auch die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, Käthe Zillbach, für gut. Die Abgabe könne an den Kauf einer Umweltkarte gekoppelt werden. Die Bauverwaltung geht davon aus, daß eine solche Nahverkehrsabgabe nur bundeseinheitlich eingeführt werden kann. Dieter Rulff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen