■ Hallen-Kicken
: Fliegende Torhüter

Berlin (taz) – Hallenfußball ist wie Fast food. Schnell, grell, teuer, aufgeblasen und von eher zweifelhaftem Nährwert. Auch die Werbung verspricht mehr, als in der Realität letztendlich gehalten wird. In Berlin reisten zum 23. Internationalen Hallenfußballturnier nominell so starke Mannschaften wie Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt, Bayern München, Meister Werder Bremen und Spartak Moskau an. Und natürlich spielte auch der Veranstalter Hertha BSC. Das der großen Fußballkunst entwöhnte Berliner Publikum strömte in Massen, die Deutschlandhalle war an allen drei Turniertagen ausverkauft.

In Berlin trafen dann auch vollkommen unterschiedliche Spielsysteme aufeinander. „König“ Otto Rehhagel hält die Spiele in der Halle eigentlich für zu gefährlich und will deshalb die Hallensaison abschaffen. „Wir sollten lieber überlegen, ob wir die Winterpause durchspielen.“ Aber gewinnen will der Taktiker dann doch. Er perfektionierte das Spiel mit dem fliegenden Torwart, das er selbst erfunden hat. Erst Dieter Eilts, der dann wegen einer Notbremse am Sonnabend die rote Karte erhielt, dann Thorsten Legat. Schön spielten die Bremer nicht, aber recht erfolgreich. Sie drangen bis ins Finale vor.

Einen gefälligen und ansehenswerten Kombinationsfußball spielten dafür andere, wie zum Beispiel Spartak Moskau oder Eintracht Frankfurt. Dafür wurden sie auch nur Vorletzter und Letzter. Uli Stein, der letzte wahre Stürmer (immerhin zwei Tore) in seiner Mannschaft, kommentierte sein Verhältnis zum Hallenfußball nach der Vorrunde mit den Worten „Wir wollen hier, zusammen mit dem Publikum, eigentlich nur ein bißchen Spaß haben.“

Doch dem Kombinationsfußball wurde schnell der Garaus gemacht. Die Bremer besiegten im Halbfinale Bayer Leverkusen knapp mit 6:5. Die „Ottosche Variante“ (bei Ballbesitz Torwart Gundelach raus und dafür Dampfhammer Legat rein) ging auf. Im zweiten Halbfinale standen sich München und der Zweitligist Hertha BSC gegenüber. Die bayerische Mannschaft konnte ihre deutliche technische Überlegenheit nicht ausspielen. Mit großem kämpferischem Einsatz und mit stimmgewaltiger Unterstützung der Fans kämpften die Berliner den Rekordmeister, wenn auch erst im Neunmeterschießen, nieder.

Das Finale zwischen Werder Bremen und Herthanern war dann das große Spektakel, das sich die Berliner Zuschauer erhofft hatten. Erst 17 Sekunden vor Schluß konnte Sven Demandt den Ball zum 5:4- Siegtreffer für die Berliner im Netz versenken. Die Bremer waren ein Opfer ihres eigenen Systems geworden. Durch den fliegenden Torwart steht das Tor, ist der Ball erstmal verloren, leer. Das passierte den Bremern im Finale zu oft. So gewannen die Berliner, weil sie besser verteidigten und auf ihre Chancen warteten. Das Publikum feierte dann ausgiebig sich und die Mannschaft. Bester Spieler wurde Andreas Thom, bester Keeper der Herthaner Christian Fiedler (der drei Tore erzielte), und der beste Torschütze war der Bremer Legat, der aus allen Positionen schoß, die sich anboten. Selbst Hallenturniere erfordern inzwischen Systeme, das spielerische Element wird immer mehr in den Hintergrund gedrängt.

Zurück zum Essen, dem Turnier fehlte der Schuß französischer Raffinesse, der es schmackhaft gemacht hätte. Fast food kann man auch mit Fast-Essen übersetzen.Peter Tietze