Wessen Frieden im Nahen Osten?

Die israelische Regierung reagiert zurückhaltend auf das Ergebnis des syrisch-amerikanischen Gipfels in Genf / Sie befürchtet, daß sich Syrien und die USA nun zu gut verstehen könnten  ■ Von Amos Wollin

Haben die Gespräche zwischen US-Präsident Bill Clinton und seinem syrischen Amtskollegen Hafis el-Assad den Frieden im Nahen Osten nähergebracht? Noch am Sonntag abend, kurz nach Beendigung des Gipfels in Genf, eilten US-Gesandte nach Jerusalem, um Israels Regierung ein Bild der neuen Lage zu geben. Schließlich hatte Assad erklärt, er sei jetzt bereit, normale Beziehungen und einen vollen Frieden mit Israel herzustellen.

Israels Premier Jitzhak Rabin und Außenminister Schimon Peres reagierten zunächst einmal – zumindest in ihren öffentlichen Erklärungen – zurückhaltend: Der syrische Präsident habe nicht deutlich erklärt, was er unter „Normalisierung“ und einem „vollen Frieden“ mit Israel verstehe, monierte Rabin. Was in welchem Zeitraum Israel dafür hergeben solle, sei ebenso unklar geblieben wie viele weitere Einzelheiten. Peres fehlte in Assads Ansprache eine genaue Aufzählung aller Elemente für den Frieden, wie sie Israel fordert. Dazu zählte der Austausch von Botschaftern und offene Handelsbeziehungen ebenso wie unbeschränkte Besuchsmöglichkeiten. Auch hätte sich Assad nicht über die Sicherheitsarrangements geäußert, auf die Israel ganz besonders großen Wert legt. Kurz: die israelischen Minimalbedingungen seien noch nicht erfüllt.

Auch auf die Bemerkung von US-Außenminister Warren Christopher, daß amerikanische Truppen möglicherweise die Sicherheit auf dem bislang noch israelisch besetzten Golan garantieren könnten, reagierte Peres ohne Begeisterung: Er würde es vorziehen, sagte er, Fragen der Sicherheit mit Syrien direkt auszuhandeln.

Tatsächlich zeigt sich die israelische Regierung jetzt besonders darüber besorgt, daß sich Syrien und die USA zu gut verstehen könnten: So hat Ex-Außenminister David Levy vom rechten Likud-Block die Regierung Rabins bereits beschuldigt, durch ihre „falsche Taktik“ dazu beigetragen zu haben, daß Clinton jetzt mit Assad im Einvernehmen steht. Jetzt sei Israel gezwungen, auf diese neukoordinierte Front – mit einem durch Clinton gestärkten Assad – zu reagieren. Die falsche Taktik habe in dem Versprechen bestanden, unter bestimmten Bedingungen wesentliche Teile des Golan an Syrien zurückzugeben. Es ist beunruhigend für Israel, daß es dem weitgehend „rehabilitierten“ Syrer Assad gelungen ist, noch vor Neuaufnahme der Washingtoner Verhandlungsrunden, die am 24. Januar beginnen sollen, mit Clintons Hilfe ins Zentrum des Friedensprozesses zu rücken, mit den USA als allseits akzeptiertem Vermittler und „vollem Partner“.

Da gibt es natürlich auch weiterhin die ganz besonders intimen Beziehungen zwischen Washington und Israel, aber die Sonderstellung Israels im Nahen Osten wird zusehends die eines primus inter pares, eines Bevorzugten unter Gleichen.

Wie die Zeitung Haarez gestern kommentierte, wird Israel ab sofort unter US-amerikanischem Druck stehen, Bereitschaft für einen vollen Rückzug aus dem Golan zu zeigen. Wenn Israel Assads Forderung erfüllt, bekommt er den Golan zurück. Falls Israel die Forderungen ablehnt, wird Assad seine Beziehungen mit Washington weiter verbessern und Israel als Friedensverderber anprangern. Israel kann mit viel Berechtigung darauf hinweisen, daß Assad noch nicht geklärt hat, welchen Frieden er im Sinn hat, wenn er von einem allumfassenden Frieden spricht. Aber ein wirklicher Erfolg des syrischen Präsidenten scheint die Zusage der USA zu sein, daß Syrien auch weiterhin das entscheidende Sagen im Libanon haben soll, meint Haarez.

Während die Siedler jetzt intensiver gegen jeden Rückzug im oder aus dem Golan und für Aufrechterhaltung des Status quo demonstrieren, argumentiert der rechte Oppositionsführer Rafael Eitan, die Syrer seien einfach Betrüger: Sie wollten gar keinen Frieden, sondern nur die militärische Übermacht gewinnen, um Israel militärisch zu besiegen.