AKW Ignalina spritzt

■ Leck im Kühlkreislauf / Rohre marode

Berlin (taz) — Im litauischen Atomkraftwerk Ignalina ist es am Dienstag zu einem Störfall gekommen. Wie Kraftwerksdirektor Viktor Schewaldin gestern bekanntgab, spritzte Wasser aus einem undichten Rohr des Kühlkreislaufs in dem AKW vom Tschernobyl-Typ. Der Störfall habe nicht zu einer zusätzlichen Verstrahlung geführt. Der betroffene Block 1 des Atomkraftwerks sei dennoch abgestellt worden.

Die schwedische Atomenergiebehörde SKI wußte bereits mehr. Eins der 40 Rohre, die die Notkühlsysteme mit dem primären Kühlkreislauf des RBMK-Reaktors verbinden, sei undicht geworden. Die Balten hätten gesagt, aus dem Rohr seien pro Minute nur eineinhalb Liter Wasser gespritzt, so Per Bystedt von der SKI.

„Das Problem ist aber nicht das eine Rohr, sondern die Frage, ob die Rohre nicht alle marode sind“, sagte Bystedt. Der 1.500-Megawatt-Reaktor müsse tagelang abkühlen, damit man das Rohr ausbauen und eine Schadensanalyse machen könne. Erst dann sei klar, „ob es sich vielleicht um ein durchgängiges Problem“ handelt.

Bystedts Furcht ist berechtigt. 1992 führte ein zentimeterdicker Riß zu einem schweren Störfall in Ignalina, und erst im Oktober 1993 war ein Kühlrohr in dem AKW gebrochen. Die Kraftwerksblocks werden wegen Zweifeln an der Sicherheit seit Jahren nur mit 1.300 Megawatt Leistung betrieben.

Kraftwerksdirektor Schewaldin kündigte gestern an, der Meiler werde nur für sechs bis acht Tage stillgelegt. Von einer Überprüfung des zweiten Blocks auf ähnliche gefährliche Risse war keine Rede. Ignalina ist nach Presseberichten für 85 Prozent der Stromversorgung Litauens verantwortlich. Doch das macht nur 50 Prozent des erzeugten Stroms aus. Die andere Hälfte verkauft das Land für rare Devisen ins benachbarte Ausland. ten