: Ein DVU-Mann Chef der Schwarzen Sheriffs
■ Vorwürfe gegen S-Bahn-Wachdienst / Bundesbahn: „Kein Handlungsbedarf!“ Von Kai von Appen
Harburg, vergangenen Dienstag abend, 21.30 Uhr: In die S3 von Harburg zum Hauptbahnhof steigen zwei Schwarze Sheriffs ein. Betont fordern sie einen Ausländer auf, den Fahrausweis vorzulegen. Dann gehen sie zu dem nächsten dunkelhäutigen Menschen. Doch auch er hat eine Fahrkarte. Dieser Vorgang wiederholt sich noch zwei Mal. Das Verblüffende: Alle deutschen Personen im Waggon sind von der Fahrkartenkontrolle ausgenommen. Ein Augenzeuge zur taz: „Alltäglicher Rassismus“.
Seit die Schwarzen Sheriffs im Herbst 1992 bei der Bundesbahn ihren Dienst in S-Bahn-Zügen aufnahmen, stehen sie in der öffentlichen Kritik: Übergriffe gegen Ausländer, Angriffe auf sogenannte „Penner“, heimliche Bewaffnung zwecks Körperverletzungen bei Streitigkeiten – die Liste ist lang. Und nun ein neuer Skandal: Der Chef der Bundesbahnwachfirma „Raab Karcher Sicherheit“ soll Mitglied des Landesvorstandes der rechtsradikalen „Deutschen Volksunion“ (DVU) in Schleswig-Holstein sein.
Das meint die „Hamburger Morgenpost“ (Mopo) herausgefunden zu haben: Ober-Sheriff Holger Stippel soll nicht nur einfaches Mitglied der rechtsextremistischen DVU, sondern sogar deren „Sicherheitsbeauftragter“ sein. Das bestätigte zumindest die Kieler DVU-Abgeordnete Renate Köhler. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein ist Stippel seit November 1993 auch Beisitzer im DVU-Landesvorstand. Stippel bestreitet dies zwar, dementiert eine Mitgliedschaft in der rassistischen DVU allerdings nicht.
Die Bundesbahn möchte es nicht wahrhaben. Ihr Sprecher Helmut Kujawa: „Seit Herbst vorigen Jahres ist die erwähnte Person kein Mitglied der DVU mehr. Mir liegt ein entsprechendes Schreiben vor, insofern hab ich keinen Anlaß, daran zu zweifeln.“ Man werde sich zwar mit der Firma über den Fall noch unterhalten müssen, aber, so Kujawa: „Ich sehe der derzeit keinen Handlungsbedarf.“
An eine Kündigung der Schwarzen Sheriffs, wie es der GAL-Innenpolitiker und „Kritische Polizist“ Manfred Mahr gestern forderte, denkt die Bundesbahn nicht. Kujawa: „Das sind doch alles subjektive Schilderungen. Die Wachfirma versieht an 365 Tagen ihren Dienst.
Selbst wenn die gelegentlichen Vorwürfe zuträfen, ist das eine geringe Zahl von Übergriffen.“ Eine Statistik, die die Bundesbahn-Position untermauert, hat Kujawa auch bereit: „Eine Infas-Umfrage hat ergeben, daß 80 Prozent der S-Bahn-Fargäste sich durch die Wachleute sicherer fühlen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen