: Eine schrecklich nette Familie
Zum eigenen Konzert mit Absicht fast zu spät gekommen: Womack & Womack mit Anhang im Loft ■ Von Andreas Becker
Es gibt Konzerte, die stehen unter einem merkwürdigen Stern. Als ich nachmittags mit der U- Bahn am Nollendorfplatz vorbeifahre, sehe ich keinen Bandbus. In den Plattenläden ist nirgends die neue Womack & Womack-Platte „Transformation to the House of Zekkariyas“ zu finden. Vor einigen Monaten kam mir beim Wandern in den staubigen Bergen Gomeras plötzlich „Teardrops“ als Wanderlied in den Kopf: „Footsteps on the dancefloor“. Beim Blick in die Plattensammlung stellt man fest, daß dieser wohl größte Hit von Linda und Cecil Womack auch schon wieder sechs Jahre alt ist. Zeit fürs Wiedersehen also. Die Womacks, Cecil ist der Bruder von Bobby Womack, sind familientechnisch eng verbunden mit der Geschichte des Soul. Linda ist die Tochter von Sam Cooke, bei dem die Womack-Brüder schon in den Fünfzigern in der Band sangen. Cecil und Linda kennen sich seit der Kindheit.
Statt im Metropol soll das Konzert aus mangelndem Interesse im kleineren Loft stattfinden. An dessen Eingang hängt ein Zettel: Einlaß 19.30 Uhr. Kurz vor halb acht hält eine alte schwarze Mercedes- Limousine, aus dem Wagen steigen diverse Kinder mit versteinerten Blicken und zwei Erwachsene: die Eltern Linda & Cecil. Das Publikum steht bis nach acht draußen in der Kälte. Drin ist Soundcheck.
Wir treffen den Kollegen vom Zitty, der gerade ein Interview mit den Womacks gemacht hat. Sie wohnen nicht mehr in den USA, sondern in Tansania, und sie bestehen darauf, unter ihrem neuen Namen Zekkariya angeredet zu werden. Außerdem würden sie gleich nochmal zum Hotel fahren. Tatsächlich steigt die Familie kurz vor neun wieder komplett in die Limousine. Die Zuschauer werden langsam sauer, die ersten wollen ihr Geld zurück. Wir setzen uns in die Billig-Pizzeria gegenüber, von wo man das Metropol gut im Blick hat. Der Fotograf ist genervt: „Wenn die nicht bis zehn zurück sind, gehen wir!“
Drei Minuten vor zehn kommt der Mercedes wieder, die Womacks laufen in bunten Umhängen die Stufen rauf, sechs Kinder hinterher. Die Hälfte des Publikums ist verschwunden. Sofort beginnt das Konzert. Und es scheint zu funktionieren: Die Pfiffe verstummen, die ersten klatschen mit Cecil im Takt in die Hände. Linda lächelt, ihre Stimme klingt vertraut. Cecil hat was von einem Wüstenkönig aus dem Bilderbuch, er trägt Fez und Vollbart. „Teardrops“ als zweites Stück, aber plötzlich verläßt Linda die Bühne. Dann „Twist and Shout“, Cecil reißt sich das Hemd vom Leib, zieht zwei Frauen aus dem Publikum auf die Bühne.
Der Sound ist schepprig, die Einsätze sind schief, alles klingt wie notdürftig zusammengeflickt, aber sympathisch. Gleich ist das Konzert vorbei, denke ich noch, da kommt Linda wieder. Bei „Conscience“ reißt Cecil ihr nach kurzem Getrommel die Drumsticks aus der Hand, wirft sie zu Boden. Linda lächelt verkrampft. Der Manager steht wie ein Bodyguard neben der Bühne. Cecils Mikroständer bricht zusammen. Schon wieder ein Klassiker, als hätten die Womacks nicht genug eigene Stücke: All over now – baby blue.
Dann kommen endlich die Kinder auf die Bühne. Das jüngste ist vielleicht zwei, starrt auf die Zuschauer. Die Größeren beginnen zu tanzen, nehmen das Schwesterchen an die Hand. Ein Junge kaut auf seinen Fingern herum. „Celebrate the world“, singen die Eltern. Das Konzert ist vorbei. Die Familie fährt zurück ins Hotel.
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