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Südafrikas schwarze Aufsteiger haben es schwer

■ Wer Geld hat, will aus den Townships weg in die wohlhabenden weißen Viertel – aber die Hürden sind hoch / „Wollten Sie nicht immer schon im Norden wohnen?“

Johannesburg (taz) – Das kastanienbraune Backsteinhaus ist wie der Modellbau aus dem Prospekt. Ein elektrisches Tor mit Fernbedienung; zwei Garagentore, die sich auf Knopfdruck öffnen. Der Swimmingpool gehört ebenso zu dem Vierbetthaus in Randpark Ridge wie zwei verschnörkelte Säulen im Wohnzimmer. Bongani Mpulo hat verwirklicht, was ein riesiges Plakat an der Autobahn zwischen dem schwarzen Township Soweto und Johannesburg Tausenden suggeriert, die hier täglich vorbeifahren: „Wollten Sie nicht immer schon im Norden wohnen?“

Für den 38jährigen Computerspezialisten Bongani Mpulo gaben seine beiden Kinder den Anstoß zum Umzug aus dem Township in den reichen Norden der Metropole: „Sie gingen schon im Norden zur Schule. Es war praktischer für sie.“ Längst haben die Klagen des Nachwuchses aufgehört, daß Randpark Ridge langweilig sei, eine typisch südafrikanische weiße Vorstadt eben, ohne Kontakt zu den Nachbarn und ohne Leben auf der Straße. Mpulo: „Anfangs waren wir die einzigen. Jetzt sind noch mehr Leute aus Soweto dort hingezogen, und die Kinder haben jetzt auch Spielkameraden.“

Der Norden Johannesburgs – das sind die Vorstädte der Weißen: Riesige Villen und Grundstücke, schwere Limousinen, zahllose Restaurants. Soweto bedeutet: keine Infrastruktur, wenige Einkaufsmöglichkeiten, überfüllte und schlecht ausgestattete Schulen. Der Norden dagegen ist mit seinen Einkaufszentren und den perfekt asphaltierten Ausfallstraßen der Traum der Schwarzen aus Soweto.

„Bisher stellen Kunden aus den Schwarzenvierteln etwa zehn Prozent unseres gesamten Geschäfts dar“, sagt Norman Grey von der Maklerfirma Seeffs, „aber in der Zukunft wird das der Markt für uns sein.“ Das Ende der Rassentrennung als Gelegenheit für Geschäfte. „Die schwarze Kundschaft“, erklärt Grey, „zieht es vor allem in die südlichen Viertel von Johannesburg, in denen englischsprachige Schulen existieren.“ Burenviertel werden wegen der Lehrsprache Afrikaans dagegen gemieden. Grey: „Wir haben relativ viele Kunden, die ihre Häuser in den Townships an Leute verkaufen, die vom Land nachziehen. Mit dem Bargeld begleichen sie dann die Anzahlung für Häuser in bisher weißen Vierteln.“

Der Sprung in den Norden ist trotzdem die Ausnahme. 130.000 bis 250.000 Mark für ein Haus übersteigt die Kaufkraft der meisten. Die Apartmenthäuser im Zentrum von Johannesburg fallen mit Preisen unter 50.000 Mark eher in den Bereich des Möglichen. Dies gilt auch für die Einfamilienhäuser am Südrand von Johannesburg. Anthony van der Riet, der die Filiale der Maklerfirma Seeffs in Glenvista leitet: „Die Preisklasse zwischen 50.000 und 75.000 Mark ist für Leute, die aus den Townships wegwollen, am interessantesten.“

Monatsraten von 700 DM

Doch selbst solche Käufe sind nur möglich, wenn die Käufer eine relativ gut bezahlte Arbeit haben. Bei einem Kredit von 130.000 Rand (etwa 63.000 Mark) sind monatliche Raten von 700 Mark fällig. Van der Riet: „Die Abzahlungen dürfen ein Viertel des Einkommens bei Alleinverdienern oder ein Drittel des Einkommens bei Doppelverdienern nicht übersteigen.“ In einem Land, in dem die Arbeitslosigkeit bei knapp 50 Prozent liegt und Einkommen nicht gerade üppig sind, wird dies zur großen finanziellen Hürde.

Van der Riet: „Die meisten schwarzen Käufer sind Angestellte im öffentlichen Dienst, Polizisten, oder sie arbeiten bei großen halbstaatlichen Konzernen.“ Der Grund: Die Unternehmen geben Zuschüsse zu den Kredtizahlungen. Die 32jährige Angela Mathee, die im Gesundheitsamt von Johannesburg arbeitet, konnte sich so neben einem 30.000 Mark teuren Wagen auch eine Wohnung für 40.000 Mark kaufen. Ihr Monatsnettoeinkommen: etwa 1.500 Mark. Sie hatte das Glück, bei der Anschaffung beraten zu werden, und konnte den Preis drücken.

Aber Makler van der Riet weiß um die Unerfahrenheit vieler Käufer: „Viele wissen nicht, wie Häuserkauf funktioniert.“ So wird der Traum vom Eigenheim zum Alptraum. Brian Leveson, der für die Menschenrechtskommission „Anwälte für Menschenrechte“ den „Housing Consumer Protection Trust“ leitet, machte reichlich Erfahrungen: „Die Wohnungsnot ist so groß, daß viele Leute die verzweifeltsten Sachen machen. Sie glauben, bei Monatseinkommen von 400 bis 500 Mark Häuser kaufen zu können.“

In vier Jahren hat seine Gruppierung allein im Raum Johannesburg 5.000 Betrugsfälle bearbeitet. Leveson: „Bei der Hälfte der Fälle sind ihnen Anzahlungen zwischen 1.000 und 5.000 Mark gestohlen worden.“ Die Betrogenen warten oft ein Jahr, bevor sie merken, daß etwas faul war. „Manche Leute“, so Leveson, „suchen so verzweifelt nach einem Ausweg aus den Hütten in den Townships, daß sie sich sogar mehrmals übers Ohr hauen lassen.“ Die Wohnungsnot in Südafrika ist sprichwörtlich: Nur einer von zehn Südafrikanern, die versuchen, ein Haus zu kaufen, erreicht sein Ziel. Die Zahl der fehlenden Wohnungen in dem 40-Millionen- Einwohner-Staat wird auf 1,5 Millionen geschätzt. Willi Germund

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