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Hurd: „Es liegt doch nicht an uns“

Entläßt das EU-Parlament Owen, oder geht es um den Rückzug aus Bosnien?  ■ Aus Wien Karl Gersuny

War die donnerstägliche Forderung des Europäischen Parlamentes nach einer Entlassung des erfolglosen EU-Vermittlers Lord David Owen nur eine Vorstufe zum Rückzug der UN aus der Bürgerkriegsrepublik? Nicht nur die britische und die französische Regierung denken immer lauter darüber nach, spätestens im kommenden Sommer ihre Truppen nach Hause zu holen. Auch die skandinavischen Staaten und Spanien wollen ihre Blauhelme so schnell wie möglich zurück haben, die Kanadier in der Enklave Srebrenice haben sich bereits auf den Heimweg gemacht – obwohl ein Ersatz für die leichtbewaffneten Blauhelme bisher nicht sichergestellt ist.

Am Donnerstag hatten in Straßburg 106 von 518 Europaparlamentariern für die Ablösung des erfolglosen Vermittlers gestimmt. Für einen Verbleib Owens im Amt votierten nur 95 Abgeordnete. Zur Begründung hieß es, Owens Verhandlungstaktik habe den Opfern des Krieges keine nennenswerte Hilfe zuteil werden lassen. Es müsse vorrangiges Ziel der EU- Politik in Bosnien bleiben, durch ein „aktiveres Eingreifen“ die Sicherheit der Zivilbevölkerung in den acht bosnischen UNO-Schutzzonen besser zu gewährleisten. Pathetische Worte ohne Inhalt: An keiner Stelle erklären nämlich die Owen-Gegner, mit welchen Mitteln sie den Frieden im kriegsgeschüttelten Ex-Jugoslawien herbeizaubern wollen.

Wenngleich sie die allgemein schwammigen Friedenserklärungen ihres bisherigen Vermittlers und dessen generellen Zweckoptimismus kritisch unter die Lupe nehmen, bedienen sich die Owen- Kritiker dabei der gleichen nichtssagenden Sprache. An keiner Stelle geht die Erklärung darauf ein, ob das „aktivere Eingreifen“ auch Militärschläge der Nato beinhalten sollte oder welche Appelle die Owen-Gegner an ihre Heimatregierungen richten, damit es im Frühjahr nicht zum generellen Abzug der europäischen Blauhelm- Soldaten auf dem Balkan kommt.

Deutlicher äußerte sich da der britische Außenminister Douglas Hurd in Ankara, einem Zwischenstopp seiner derzeitigen Europa- Reise. „Es liegt doch nicht an uns“, so Hurd, „ob die Kämpfe aufhören oder nicht.“ Owens Vermittlungsversuche fand Hurd dagegen „enorm“, er betonte gar seine Faszination ob der „Energie und Ideen“, die der Lord in den vergangenen zwanzig Monaten aufgebracht habe. Verteidigungsminister Malcom Rifkind drückte sich gestern in einem BBC-Interview noch deutlicher aus: „Die Frage ist, ob die UNO insgesamt ihre Präsenz in Bosnien aufrechterhalten soll oder ob der Augenblick kommen wird, an dem das UN-Mandat nicht mehr erfüllt werden kann.“

Ähnliche Töne waren in den letzten Wochen auch aus Paris zu vernehmen. Im französischen Verteidigungsministerium einigten sich die Generäle auf ein neues militärisches Konzept, das auch das Mittel der Gewalt zur Öffnung der Flughäfen von Sarajevo und Tuzla vorsieht. Sogar gezielte militärische Angriffe aus der Luft auf serbische Belagerungsstellungen sieht der Pariser Vorschlag vor – natürlich immer mit dem Vorzeichen, daß bei einer solchen Aktion andere Natostaaten mitziehen müßten. Nur scheinbar nebenbei wurde bei dieser Gelegenheit auch eine Drohung in den Raum gestellt: Geht Europa auf die französischen Vorschläge nicht ein, so will Paris seine 3.500 Blauhelm- soldaten in Bälde abziehen.

Frankreichs Außenminister Alain Juppé soll seinen europäischen Amtskollegen schon beim Nato-Gipfel in Brüssel diesen Standpunkt unmißverständlich nahegelegt haben – darunter auch dem deutschen Außenminister Klaus Kinkel. Doch Deutschland hält sich bezeichnenderweise aus der Diskussion um den Abzug der UNO-Truppen dezent heraus, verweist auf das Grundgesetz, das Einsätze zur internationalen Friedenssicherung verbiete, und überläßt den Verbündeten die Entscheidungen über das weitere Schicksal Bosniens.

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