: Der Luxus der Menschen in der Einöde
■ Postreform II soll Anfang Februar in den Bundestag eingebracht werden
Berlin (taz) – „Noch sind differenzierte Tarife bei der Briefpost nicht in der Diskussion“, sagt Postsprecher Christian Hoppe. Aber es sei nicht auszuschließen, daß es irgendwann ein bißchen teurer wird, „auf einem Einödhof in Brandenburg“ zu leben. Hoppe aber glaubt, daß durch die in der Postreform II anvisierte größere Konkurrenz im allgemeinen Vorteile für die KundInnen zu erwarten sind.
Noch in diesem Jahr soll nach Wunsch der Regierung entschieden werden, wann auch andere Anbieter als die Post Massendrucksachen zustellen dürfen. Ob sie auch begrenzte Bezirke beliefern können und der Katalog nach Berlin eventuell billiger wird als nach Wewelsfleth, ist indes nicht klar. „Eine Aufhebung des Briefmonopols ist noch nicht konkret verabredet“, beschwichtigt Hoppe. Deren Terminierung ist einer der letzten Streitpunkte in der interfraktionellen Arbeitsgruppe von CDU/CSU, FDP und SPD, die am 4. Februar den Entwurf der zweiten Postreform im Bundestag präsentieren will.
Klar ist lediglich, daß sich spätestens ab Januar 1998 auch andere Firmen als die Telekom im Telefonbereich engagieren dürfen, weil die EU das so festgelegt hat. Hingegen gibt es noch keine europäische Vereinbarung über das Ende der Netz- und Briefmonopole. SPD und CDU/CSU wollen die Postreform II ohne ein konkretes Datum verabschieden; die FDP hingegen drängt auf einen möglichst schnellen Wettbewerb. Ebenfalls unklar ist, zu welchem Zeitpunkt der Bund die Mehrheitsbeteiligung bei den Aktiengesellschaften aufgeben darf.
Grundsätzlich einig sind sich die großen Parteien darüber, daß die drei Postbetriebe in Aktiengesellschaften verwandelt werden sollen. Sie stehen unter dem Dach einer Anstalt des öffentlichen Rechts, die lediglich beraten und koordinieren darf. Ins operative Geschäft der Telekom, Postbank und Briefpost hineinregieren darf sie indessen nicht. „Hier gibt es einen Konflikt zwischen der Postgewerkschaft und der SPD“, räumt Arne Börnsen ein, der für die Sozialdemokraten an dem Konzept mitarbeitet; aber auch einige seiner Parteigenossen sind mit dem Konzept grundsätzlich nicht einverstanden.
Unklar ist noch, wieviel Geld Finanzminister Theo Waigel von den Einnahmen aus der Aktienemission abgreifen darf. Während die Regierungskoalition mit Blick auf die leere Bundeskasse möglichst viel einsacken will, plädieren die Sozialdemokraten dafür, den drei Aktiengesellschaften die Kapitalaufstockung weitgehend zu überlassen. Bisher mußten die Postunternehmen zehn Prozent ihres Umsatzes nach Bonn überweisen und sich gegenseitig unterstützen, was vor allem Investitionen der Telekom verhinderte.
Vereinbart ist, daß ein nicht näher definierter Infrastrukturauftrag der Post im Grundgesetz festgeschrieben wird. Der Regulierungsrat, in dem Vertreter vom Bund und den Ländern sitzen, soll darüber wachen, daß nur solche Anbieter Lizenzen bekommen, die ein ganzes Gebiet und nicht einzelne lukrative Bereiche versorgen wollen. Börnsen geht davon aus, daß sich auch die Briefpost mit Gewinn und ohne Gebührenerhöhung betreiben läßt, wenn sie nur von den Fesseln einer Behörde befreit ist. Ein einklagbares Recht auf billige und rasche Briefbeförderung aber wird es nicht geben.
Die Beamten sollen in die drei Aktiengesellschaften überführt werden, denen eine Dienstherrenaufsicht verliehen wird. Die Staatsdiener können entscheiden, ob sie sie ihren Status beibehalten, sich als Beamte beurlauben lassen und sich von der Post anstellen lassen oder normale Angestellte werden wollen. „Wie das alles konkret aussieht, ist noch nicht klar“, räumt Postsprecher Christian Hoppe ein. Absehbar ist, daß sich vor allem die jüngeren Beamten beurlauben lassen: Sie können dann die wahrscheinlich besseren Tarife der Angestellten kassieren und bleiben doch unkündbar. Erst wenn sie aussterben, sind die Postbetriebe ihre Vergangenheit als Behörde los. Annette Jensen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen