piwik no script img

Oraler Sex mit Sicherheitsgurt Von Ralf Sotscheck

John Major kann vorübergehend aufatmen: Vor dem Londoner „Old Bailey“ wird zur Zeit ein Fall verhandelt, gegen den die Skandale und Affärchen der Tories als geradezu verschnarcht erscheinen. Dabei geht es natürlich um Sex – ein schier unerschöpfliches Thema, das die Phantasie der britischen Nation beflügelt. Freilich ist in diesem Fall nicht allzuviel Phantasie vonnöten.

Die Geschichte begann im Juni 1992 beim berühmten Pferderennen in Ascot. Die 38jährige Schauspielerin Gillian Taylforth, die in der vorabendlichen Familienserie „Eastenders“ eine Hauptrolle spielt, und ihr 39jähriger Verlobter Geoffrey Knights hatten sich mit ein paar Flaschen Champagner amüsiert und waren auf dem Nachhauseweg, als sie ihren Wagen auf einer Zufahrt zur stark befahrenen A1 bei Borehamwood anhielten. Kurz darauf kam zufällig der Polizist Terence Talbot vorbei. Was er durch die Scheibe sah, verschlug ihm nach eigenen Angaben die Sprache: Ein blonder Frauenkopf „bewegte sich über einem erigierten Penis langsam auf und ab“. Stellvertretend für die „in ihrem Anstandsgefühl gröblich beleidigte Öffentlichkeit“ riß Talbot die Autotür auf, wofür ihm von Knights Prügel angedroht wurde. Der beamtete Wächter der Moral verhaftete die beiden vorsichtshalber. Auf dem Revier beruhigte sich Knights und akzeptierte eine Verwarnung, worauf die Sache zunächst erledigt war.

Irgendwie bekam jedoch das Boulevardblatt Sun Wind von der Sache. Von den Polizeibeamten will es aber niemand gewesen sein. Jedenfalls berichtete die Zeitung ausführlich über das Treiben an der A1. Das brachte ihr eine Schadensersatzklage wegen Rufschädigung ein, die seit zwei Wochen vor dem überfüllten Gerichtssaal verhandelt wird.

Taylforth behauptet, ihr Verlobter hatte sich an dem fraglichen Abend mit dem vielen Champagner den Magen verdorben. Sie hatte angehalten, damit er sich übergeben konnte. Danach öffnete sie ihm die Hose und rieb seinen Bauch, um die Schmerzen zu lindern. Um zu beweisen, daß „orale Masturbation“ in einem Range Rover ohnehin unmöglich sei, mußten zwei Journalisten auf dem Parkplatz des Gerichtsgebäudes die Situation zum Vergnügen der Geschworenen nachspielen – mit Sicherheitsgurt. Ist das die britische Version von Safer Sex? „Die Szene ist natürlich etwas ungenau“, wandte Sun-Staranwalt George Carman ein, „weil die entscheidende Komponente fehlt: der erigierte Penis.“ Außerdem fehlte auch das Erbrochene, obwohl die Polizei die Stelle absuchte, wo sich Knights angeblich „entleert“ hatte, wie Carman es ausdrückte. Und er hatte einen weiteren Trumpf im Ärmel: In der vergangenen Woche führte er dem Gericht ein Amateurvideo vor, das 1988 auf einer Party aufgenommen wurde. Dabei ist Gillian Taylforth zu sehen, wie sie zunächst Analverkehr mit einer Weinflasche, und dann oralen Sex mit einer „deutschen Bockwurst“ simuliert. Dabei erklärte sie den Partygästen lautstark, daß sie Expertin für blow jobs sei. „Ein ekelhaftes Verhalten auf offener Straße“, bescheinigte Carman ihr. Das sei die wahre Gillian Taylforth, und nicht „die gesetzte Dame hier im Gerichtssaal“. Stimmt nicht, verteidigte sich Taylforth: Sie sei voll wie eine Haubitze gewesen. Die Geschworenen sprechen heute das Urteil.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen