Herumtaktierende Zauderer im Vorwahlkampf

■ Italiens Parteien üben sich in wechselnden Allianzen im Wenn und Aber

Rom (taz) – Entschlossen und markig hatten sie den Schritt „von der ersten zur zweiten Republik“ verkündet, die Parlamentsauflösung als „das Ende der aus dem Trauma von Faschismus und Krieg hervorgegangenen Gesellschaftsform“ gekennzeichnet. Doch nun, wo sie innerhalb von sechs Wochen in den Wettkampf um das beste Konzept für die Transformation eintreten sollen, zeigen sich die Parteien und speziell deren Führer vor allem als eines: als unentschlossene, hin und her taktierende Zauderer.

Die Christdemokraten stolperten dieser Tage mit allerlei kleinlichem Hickhack zu ihrer nominellen Umtaufe von „Democrazia Cristiana“ (DC) in „Partito popolare Italiano“ (PPI, Italienische Volkspartei) und verloren dabei ihre markanten Flügel, so daß am Ende des Kongresses am Samstag überhaupt keine Formation mehr die in Italien einst übermächtige katholische Position vertritt, auch wenn PPI-Führer Mino Martinazzoli laut die „Einheit der Katholiken“ beschwört. Er will die Koalitionsfrage offenhalten, schwankt aber dabei zwischen einer Vernunftzuneigung zum Linksblock und dem althergebrachten Antikommunismus hin und her.

Fest konstituiert hat sich neben der PPI außer den bereits früher abgesprungenen Gefolgsleuten des palermitanischen Bürgermeisters Leoluca Orlando in der Anti- Mafia-Formation „La Rete“ und dem „Patto per l'Italia“ (PI, Pakt für Italien) um den DC-Dissidenten Mario Segni nun auch noch ein „Centro democratico Cristiano“ (CDC, Christlich-Demokratisches Zentrum). Das erfreut sich der Freundschaft des reaktionären Teils der Kurie und schließt auch eine Allianz mit Neofaschisten nicht aus.

Auch andere üben sich im Zaudern. So verkündet der Politneuling und Medienzar Silvio Berlusconi mit seiner „Forza Italia“ (FI, Vorwärts Italien) zwar immer wieder, daß die „neuesten Meinungsumfragen“ ihm einen festen Wählerstamm von 16 bis 17 Prozent verheißen – um im selben Atemzug zu erklären, daß er nur dann selbst in die Arena steigen wird, wenn sich bis da und dahin kein erfolgversprechender „moderater Pool“ gebildet hat. Derlei Ultimaten hat er bereits ein gutes Dutzend gestellt – und immer verstreichen lassen. Das neueste läuft am heutigen Montag aus.

Doch auch der bisher besonders aussichtsreiche „fortschrittliche Pool“ um die KP-Nachfolgegruppierung Demokratische Partei der Linken (PDS) macht ernsthafte Anstalten, seine Chancen auf Null zu bringen. Noch bei den Kommunalwahlen im Dezember hatte die PDS im Bündnis mit Grünen, der Anti-Mafia-Bewegung „La Rete“, der aus der progressiven Arbeitgeberfraktion der Republikanischen Partei hervorgegangenen „Demokratischen Allianz“, dem nichtkorrupten Teil der Sozialistischen Partei und der „Rifondazione Comunista“ (RC, Neokommunisten) überragende Erfolge eingefahren. Doch derlei kann offenbar in der Linken niemals auf die Dauer gutgehen.

Den Anfang machte am vergangenen Sonntag die Anti-Mafia-Bewegung „La Rete“ des eben triumphal zum Oberbürgermeister Palermos gewählten Abgeordneten Leoluca Orlando auf ihrem Parteitag in Riccione: Sie will nur dann im „fortschrittlichen Pool“ verbleiben, wenn den Sozialisten der Zutritt kategorisch verbaut ist. Die Sozialisten seien, so „La Rete“, nicht hinreichend gewandelt, um glaubwürdig eine neue Politik zu vertreten.

Ein schwerer Brocken für PDS- Führer Achille Occhetto. Der hat sowieso schon damit zu tun, die Neokommunisten auszuschalten, weil nur unter dieser Bedingung die neue „Volkspartei“ die Option einer Mitte-Links-Regierung mit dem PDS offenhalten will. Doch nun hat just die zum Pfuiteufel erklärte Rifondazione Comunista im eben zu Ende gegangenen Parteikongreß ihr Programm so nahe an das der PDS herangeführt, daß sich Occhetto mit politischen Ziel-Divergenzen kaum mehr herauswinden kann. Wird er die Neokommunisten tatsächlich noch los, wird umgekehrt die Einbindung der Sozialisten überlebenswichtig – nur mit ihnen kann er den Anspruch einer umfassenden Linken noch einigermaßen glaubhaft machen.

„La Rete“ ist entschlossen, die Daumenschrauben gegenüber den anderen „Pool“-Mitgliedern noch weiter zuzudrehen: Innerhalb von zwei Jahren, so eine auf dem Parteikongreß vor einer Woche angenommene Resolution des Mailänder Soziologieprofessors Nando Dalla Chiesa, sollen alle Entscheidungsträger und Parteiführer abtreten, die noch in der „ersten Republik“ Ämter innegehabt haben. Und um mit gutem Beispiel voranzugehen, will Dalla Chiesa auch die eigene Galionsfigur Leoluca Orlando zum Abgang zwingen.

Da brachte dann auch der ehrgeizige Orlando nur noch Konditionalsätze heraus: „Wenn sich das als allgemeine Norm festschreiben ließe...“ – hat er doch diverse Male erkennen lassen, er strebe irgendwann gar den Posten eines Regierungschefs an.

Werner Raith