: Philippinen: Erbitterter Streit um den richtigen Weg
■ Der linke Untergrund kämpft heute vor allem mit sich selbst
Berlin (taz) – Der Mord an einem ehemaligen Kommandanten der philippinischen Guerilla und die Verhaftung hoher Untergrundführer haben die zerstrittene Kommunistische Partei der Philippinen (CPP) zum Jahresbeginn an den Rand der Selbstzerstörung gebracht. Damit sinken die Chancen auf einen baldigen Friedensschluß zwischen Regierung und der kommunistischen Guerilla.
Im Spätsommer 1992 hatte der neugewählte philippinische Präsident Fidel Ramos die Initiative zur Lösung des 25jährigen Konfliktes ergriffen, er lies prominente politische Gefangene frei und hob das Verbot der Kommunistischen Partei auf. Auch Vicente Martinez, ehemaliger Vizekommandeur der Neuen Volksarmee auf der Insel Samar, wurde im September 1992 aus der Haft entlassen. Seitdem arbeitete er mit Bauern in philippinischen Entwicklungsprojekten. Vor drei Wochen, am 2. Januar, wurde er in einem Vorort von Manila von drei Unbekannten vor den Augen seiner Familie erschossen. Acht Tage darauf wurde eine weitere prominente Person aus dem philippinischen Untergrund verhaftet: Arturo Tabara, der als Führer der Kommunisten auf den zentralphilippinischen Visayas-Inseln gilt.
Vorausgegangen war eine monatelange Auseinandersetzung innerhalb der Kommunistischen Partei, die zu ihrer faktischen Spaltung führte. Sowohl der ermordete Martinez als auch der verhaftete Tabara gehörten zu den Kritikern der Führung von Parteichef Amando Liwanag, heißt es. Hinter Liwanag stehen offenbar noch rund 60 Prozent der auf 15.000 geschätzten Parteimitglieder. „Liwanag“ ist ein Pseudonym, hinter dem der Parteigründer José Maria Sison vermutet wird, der heute im niederländischen Exil lebt. Sein Sprecher auf den Philippinen hatte Mitte Dezember angekündigt, Tabara und drei andere oppositionelle CPP-Führer würden vor ein „Volksgericht“ gestellt – was ihre Exekution bedeuten könnte.
Noch ist ungeklärt, wer Martinez erschossen hat. Die Polizei hat eine Beteiligung abgestritten, die beiden CPP-Fraktionen machen sich gegenseitig mitverantwortlich. Die Parteiführung trage die Hauptschuld, „da sie die Bedingungen geschaffen hat, die die Regierung und ihre Agenten ausnutzen können, um blutige Intrigen zu säen“, heißt es in einer Erklärung der oppositionellen CPP der Visayas, die dem bald darauf verhafteten Tabara zugeschrieben wird. Aus Europa meldete sich José Maria Sison: Höchstwahrscheinlich habe „eine Gruppe des Militärs und der Polizei in Zusammenarbeit mit Tabaras Gruppe Martinez umgebracht“. Tabara sei ein „Agent“, und er habe sich zuvor mit Martinez gestritten.
Der Konflikt innerhalb des linken Untergrundes spielt in die Hände der Regierung. Diese kann nun abwarten, daß die CPP sich selbst zerstört. Die Partei und die von ihr dominierten Organisationen wie die Neue Volksarmee (NPA) oder die Nationale Demokratische Front (NDF) haben in den letzten Jahren an Stärke und Einfluß verloren. Die NPA zählte nach Militärangaben Ende 1993 nur noch 8.400 KämpferInnen. Ein Jahr zuvor waren es noch 12.000, 1987 über 25.000. Der Niedergang hatte mit dem Sturz der Marcos- Diktatur 1986 begonnen. Obwohl die Armut nicht geringer wurde, gelang es den linken Untergrundorganisationen immer weniger, die Bevölkerung zu mobilisieren. Zudem ging sie auch in ihren eigenen Reihen brutal vor, nach eigenen Angaben ermordete sie in den achtziger Jahren knapp eintausend vermeintliche Militäragenten. Bei der vor zwei Jahren begonnenen internen Debatte über die Ursachen dieser zunehmenden Schwäche kam es zu einem unversöhnlichen Machtkampf zwischen Reformern und Anhängern der maoistischen Strategie des langwierigen Volkskrieges.
Die faktische Spaltung des linken Untergrundes macht substantielle Friedensgespräche noch unwahrscheinlicher. Im Oktober vergangenen Jahres sagten KP- Vertreter kurzfristig ein Treffen mit der Regierung ab, das in Vietnam stattfinden sollte. Und das Militär wird – statt wie geplant die Aufstandsbekämpfung zum Jahreswechsel der Polizei zu übertragen – diese Aufgabe auch 1994 behalten. Sven Hansen
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