■ Nachgefragt
: „Besser ohne Partei “

Holger Kühl, einer von zwei „Parteiunabhängigen“ im Beirat Woltmershausen, ist auf der Liste der FDP gewählt worden. Nach den Fragen an Hucky Heck und Wolfgang Rohde (ex-SPD, Beirat Gröpelingen) setzen wir heute mit der „Offenen Liste“ aus Woltmershausen die Debatte um ein Wahlbündnis für 1995 fort.

Kann man erfolgreich im Beirat arbeiten ohne Parteibuch?

Holger Kühl: Ja. Es gibt eine grundsätzliche Erfahrung, die wir gemacht haben: Die Probleme im Stadtteil sind eindeutig besser zu lösen ohne Parteibindung, weil man dann versuchen kann, eine entsprechende Einigung hinzubekommen für diesen Stadtteil.

Gibt es da ein Beispiel aus Woltmershausen?

Zum Beispiel die Diskussion über den Drogenstrich...

... den der FDP-Innensenator nach Woltmershausen verlegen wollte...

Da war im Beirat ein breiter Konsens da, daß wir dagegen sind, aber wir haben gleichzeitig die Position formuliert, daß diese Menschen irgendwo Platz haben müssen. Das zweite Beispiel ist die Unterbringung von drogenabhängigen Obdachlosen: Wir sind bereit, Menschen aufzunehmen, wenn die Bedingungen stimmen. Da gab es keine Probleme mit Parteienprofilierung.

Wäre es eine gute Idee, wenn BeiratspolitikerInnen sich zusammentun würden, um 1995 gemeinsam anzutreten?

Unsere Basis ist der Stadtteil. Nur im Stadtteil sind Menschen bewegbar. Ich könnte mir vorstellen, daß für Woltmershausen auf einer parteiunabhängigen offenen Liste auch Menschen aus den anderen Parteien einen Platz finden.

Es ist sicher gut, Erfahrungen mit anderen unabhängigen Beiräten auszutauschen. Darüberhinaus kann es in der weiteren Entwicklung auch zu der Frage kommen, ob für die Bürgerschaftswahl Kandidaten benannt werden. Aber wichtig bleibt, im Stadtteil parteiübergreifend zu arbeiten.

Verstehe ich richtig: Eine Kandidatur zur Bürgerschaft würde das Risiko mit sich bringen, daß Parteien in eine Anti-Haltung getrieben werden und dadurch die Zusammenarbeit auf Stadtteilebene erschwert würde?

Das ist eine Frage. Wichtig ist für uns bei jeder Entscheidung, auch bei der Wahl zur Bürgerschaft: Wie können die Interessen der Menschen umgesetzt werden. Wilde Parteigründungen, wie sie derzeit laufen, lehnen wir ab. Daß sich ausgehend von Beiratsarbeit auch eine Bürgerschaftsliste bildet, ist eine interessante Idee.

Gibt es in anderen Stadtteilen ähnlich denkende BeiratspolitikerInnen?

Wir haben mit den Gröpelingern Kontakt und auch mit dem Ortsamtsleiter Mitte, Hucky Heck. Und in fast allen Beiräten gibt es große Unzufriedenheit mit der Anbindung an Parteien.

Int.: K.W.