piwik no script img

Stahlwerk zu verschenken

■ Stadt sucht verzweifelt nach Interessenten für HSW / Knebel-Vertrag blockierte den Senat Von Florian Marten

Bittend-bettelnd antichambriert die Hamburger Wirtschaftsbehörde derzeit bei dem italienischen Stahlwerksgiganten Riva. Riva, so der Wunsch, soll die Hamburger Stahlwerke (HSW) kaufen bzw. Mehrheitspartner werden. Die Karten der Hamburger Unterhändler sind freilich schlecht, wie die Vertreter der Wirtschaftsbehörde am Dienstagabend in der – nicht öffentlichen Sitzung – des Wirtschaftsausschusses der Bürgerschaft einräumen mußten. Selbst wenn Riva anbeißt, muß die Stadt 100 bis 200 Millionen Mark hinlegen, um zumindest den größeren Teil des heutigen HSW-Finanzrisikos von 250 Mio Mark los zu sein.

Sicher dagegen ist bereits heute, daß ein Verkauf der Stahlwerke viel früher hätte erfolgen müssen. Der taz liegen Informationen vor, warum genau dies bislang unterblieb: Mit einem Knebelvertrag konnten der SPD-Spitzenfunktionär Gerd Gustav Weiland und der Stahlmanager Wolf-Dietrich Grosse zehn Jahre lang die Suche der Stadt nach einem industriellen Partner blockieren. Weiland/Grosse war es 1983 bei der Abfassung des komplizierten und bis heute nur einem winzigen Kreis von Bankern und Sozis bekannten Vertrages (“Protei-Vertrag“) mit Senat und Landesbank gelungen, eine Klausel einzubauen, welche Verhandlungen des Geldgebers (Stadt und Landesbank) mit „Dritten“ strikt untersagte.

Weiland und Grosse betrachteten die HSW-Konstruktion somit von Beginn an nicht als staatlich finanzierte Übergangslösung, sondern, wie die GALierin Krista Sager es formuliert, als „einen Claim zur privaten Ausbeutung“, den sie gegen störende Dritte absichern konnten.

Wirtschaftlich betrachtet waren die HSW also eigentlich eine 100prozentige Staatsfirma – allerdings zu 100 Prozent im Besitz von Weiland und Grosse. Diese raffinierte Konstruktion (die Risiken bei der Stadt, der private Zugriff bei Weiland/Grosse) war erforderlich, weil die EG damals wie heute direkte Staatsbeteiligungen und –Subventionen strikt untersagte. Weiland/Grosse waren also Nutznießer einer raffinierten Umgehung europäischen Rechts. Um die HSW dauerhaft auf feste Füße zu stellen, die problematische Filz-Connection (SPD-Wandsbek/Voscherau/Weiland/Senat/Haushaltsausschuß/Landesbank) zu beenden und das finanzielle Risiko der Stadt zu mindern, wäre ein Ganz- oder Teilverkauf dringend erforderlich gewesen.

Im Jahr 1990 hatte Landesbank-Chef Hans Fahning einen Vertrag mit Riva bereits unterschriftsreif – doch Grosse/Weiland pochten auf auf ihre Knebelklausel. Auch Wirtschaftssenator Hans-Jürgen Krupp und sein Staatsrat Claus Noe scheiterten in der Folge bei dem Versuch der Privatisierung des von ihnen finanzierten Filzunternehmens. Erst im Dezember 1993, die HSW brauchten lebensnotwendig frisches Geld, gaben Weiland und Grosse nach.

Der Vertragspassus wurde gestrichen. Die Stadt durfte auf Investorensuche gehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen