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■ Der Generalstreik in Spanien ist akribisch vorbereitet / Keine Berührungsängste mehr zwischen sozialistischen und kommunistischen Gewerkschaften

Madrid (taz) – 140.000 Polizisten und Zivilgardisten will Innenminister Antonio Asunción während des Generalstreiks am heutigen Donnerstag landesweit aufbieten. Offiziell sollen sie – wie immer – Ruhe und Ordnung aufrechterhalten. In Wirklichkeit geht es natürlich darum, Streikposten von den Werkstoren zu vertreiben und der Weltöffentlichkeit weitestmögliche „Normalität“ vorzugaukeln. Angebliche Gewaltakte liefern wie schon zu Francos Zeiten dankbaren Vorwand für Prügeleinsätze. Daß dem im demokratischen Spanien von heute schon wieder so ist, erklärt sich mit den traumatischen Erfahrungen seines dünnhäutigen Regierungschefs Felipe Gonzalez.

Seit seinem Amtsantritt im Herbst 1982 hat der Sozialistenpremier zwar mit hemmungsloser Sanierungspolitik im Namen der europäischen Integration schon mehrere Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Aber wahrhaben wollten dies die eigenen Genossen von der bis dahin hauseigenen Gewerkschaftszentrale Unión General de Trabajadores (UGT) erst in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre. Befangen in den Vorurteilen des Kalten Krieges, verleugneten sie lieber die eigenen Ideale, als das Bündnis mit den kommunistischen Arbeiterkommissionen (Comisiones Obreras/CC.OO.) des legendären Franco-Gegners Marcelino Camacho zu suchen. Erst Ende 1986 legte UGT-Chef Nicolas Redondo verbittert sein sozialistisches Parlamentsmandat nieder und brach mit seinem einstigen Zögling Gonzalez. Als sich wenige Monate später Camacho schwerkrank aufs Altenteil zurückzog, war der Weg frei zur Aktionseinheit mit dessen Nachfolger Antonio Gutierrez. Unter dessen Führung emanzipierten sich die Arbeiterkommissionen von der Vormundschaft der kommunistischen Partei, während sich die UGT gleichzeitig nach links bewegte.

Am 14. Dezember 1988 riefen die beiden Zentralen erstmals gemeinsam zu einem Generalstreik auf, der mit 8,5 Millionen Teilnehmern zum unbestrittenen Erfolg wurde. Als damals mitten in der letzten „Tagesschau“-Ausgabe die Fernsehschirme ganz Spaniens schwarz wurden, verstand die Nation schlagartig die Botschaft. Des wichtigsten Propagandamittels beraubt, mußte die Regierung am anderen Morgen ohnmächtig mit ansehen, wie ihre Untertanen zu Hause blieben und sich landesweit so gut wie kein Rad bewegte. Willy Brandts Hätschelkind Felipe Gonzalez verlor an diesem Tag abrupt viel von seinem Ansehen bei kritiklosen Bewunderern in ganz Europa und verstand schon deswegen die Welt nicht mehr.

Aber die Lektion saß. Als die Regierung Gonzalez kurz vor Ostern 1992 unter Sparvorwänden die Leistungen der staatlichen Sozialversicherung handstreichartig zusammenkürzte, antworteten die Gewerkschaften mit einem weiteren Generalstreik. Kaum war er angekündigt, eröffneten die Sozialisten eine beispiellose Schlammschlacht. Mit Verweis auf das weltweite Interesse an der Expo 92 in Sevilla, der Sommerolympiade in Barcelona und den Jubelfeiern aus Anlaß des Kolumbusjahres wurde die Streikparole als eigentlicher Landesverrat angeprangert. Wer ihr folge, verhieß das propagandistische Trommelfeuer aus allen verfügbaren Sprachrohren, füge der Heimat unverzeihlichen Schaden zu. Das Fernsehen wurde als Schlüsselstellung schon Tage zuvor unter militärischen Schutz gestellt. Mit einem Notprogramm konnte in den entscheidenden Stunden der Schein gewahrt werden, und die Wirkung des Streiks war trotz beachtlicher Beteiligung um ein Vielfaches geringer.

Das soll diesmal anders werden. Mit einem Aufwand von rund sechs Millionen Mark für eine sorgfältige Aufklärungskampagne und mit Belegschaftsversammlungen auch auf dem flachen Land und nicht bloß in Großbetrieben hoffen die Gewerkschaften, beim bevorstehenden Generalstreik trotz dessen Umstrittenheit an der Basis die Initiative zu behalten. Nicht weniger als 200.000 Delegierte sind landesweit zu dieser Schicksalsschlacht aufgeboten. In mindestens 10.000 Schulen soll der Unterricht ausfallen, was die meisten Eltern aus Sorge um ihre Kinder zu Hause bleiben läßt. Im städtischen Nahverkehr ist nicht einmal ein Mindestfahrplan gesichert, was wiederum den Gang zum Arbeitsplatz behindert.

Der Kleinhandel schließt erfahrungsgemäß aus Angst vor Problemen und Ausschreitungen von ganz alleine; Warenhäuser öffnen höchstens unter dem Schutz Kunden verscheuchender Polizeiaufgebote, und im öffentlichen Dienst ist die Streikdisziplin schon aus bloßem Beamtenfrust über den mehrjährigen Lohnstopp mit Sicherheit vorbildlich. Weil es schließlich auch kein frisches Brot und keine Zeitungen gibt, wird das Straßenbild in den ersten Morgenstunden toter wirken als gewöhnlich und auch Unentschlossene noch dazu veranlassen, ebenfalls blauzumachen. Der äußere Eindruck ist jedenfalls der entscheidende Punkt, gehen die Bilder vom Streiktag doch über die Fernsehschirme der halben Welt. Hinterher ist es schwierig, deren Wirkung auf Unbeteiligte zu korrigieren. Melden die Medien an diesem 27. Januar Grabesruhe aus Iberien, wird auch der sichtlich angeschlagene Strahlemann Gonzalez die Öffentlichkeit nicht so leicht vom Gegenteil überzeugen können. Alexander Gschwind

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