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AKW Brunsbüttel gesundbeten

■ 1.500 Leute demonstrierten für die Wiederinbetriebnahme / Schikane der Landesregierung vermutet / „Alles sicher“

Kiel (taz) – „Wir als Spezialkräfte müssen jetzt schruppen und feudeln“, empörten sich gestern Uwe Reuß und Bernhard Räder, die im Atomkraftwerk Brunsbüttel als Strahlenschützer arbeiten. Die beiden waren zwei von über 1.500 DemonstrantInnen, die gestern in Kiel für die Atomkraft protestieren. Die vor kurzem ins Leben gerufene Mitarbeiterinitiative „Jetzt reicht's“ des AKW Brunsbüttel hatte zum Sturm auf das Kieler Energieministerium geblasen – und viele waren gekommen.

Das AKW Brunsbüttel liegt seit August 1992 aufgrund der in den Rohrleitungen entdeckten Risse still, das AKW Krümmel seit mehr als einem halben Jahr. Die bisher vorgelegten Reparaturkonzepte hat das Kieler Energieministerium nicht genehmigt. Fremdfirmen wurden Aufträge gekündigt. Deshalb müssen die Festangestellten jetzt selber putzen oder malen. Sauer sind die Mitarbeiter aus den AKW, aber auch andere Angestellte der Hamburgischen Elektrizitätswerke (HEW), auf die Kieler Sozialdemokraten. „Die schikanieren uns doch, das ist doch die pure Behördenwillkür“, empört sich Thomas Linke aus der Hauptverwaltung der HEW. In anderen Bundesländern seien Reparaturen an den Rohrrissen doch innerhalb von zwei bis drei Monaten möglich gewesen, warum nicht in Schleswig-Holstein, fragt er sich.

„Wir sollen in die Knie gezwungen werden, weil es der SPD nicht gelungen ist, den Ausstieg mit legalen Mitteln zu erreichen“, erbost sich ein anderer Mitarbeiter. Das Energieministerium wolle gar aus Rache das Unternehmen in den wirtschaftlichen Ruin treiben, meint eine Frau. 100 Millionen Mark habe die Firma bereits für den Ankauf von Strom ausgeben müssen. Ganz sicher sind sich Ralf Erps, Olaf Tiedemann, Dieter Junge und Carsten Sievertsen, daß ihr AKW in Brunsbüttel absolut sicher ist. „Die Schreibtischtäter sollten sich lieber um die gefährlichen Kernkraftwerke im Osten kümmern“, meinen sie.

Statt zu reparieren und instandzusetzen, wofür sie in internen Zwei-Wochen-Kursen speziell ausgebildet worden seien, müßten sie jetzt Hilfstätigkeiten verrichten, beschweren sich die Männer fast im Chor. Für die Demo zur Erhaltung der AKW in Deutschland haben sie sich ebenso wie die anderen 1.500 MitarbeiterInnen Urlaub nehmen müssen, denn der Betreiber HEW gab für die Aktion nicht frei.

„Bei uns in Brunsbüttel ist die Notbesetzung dageblieben“, beruhigt einer der Männer. „Sie müssen doch zugeben, daß wir im Recht sind mit unserer Demo. Schließlich scheint heute nach wochenlangem Regen die Sonne. Petrus meint es jedenfalls gut mit uns“, versucht Jens Manthey, der seit kurzem im AKW Krümmel, Abteilung Instandsetzung, arbeitet, die ZweiflerInnen zu Überzeugen. Seine Freundin will lieber nichts sagen, ihr Arbeitgeber ist nicht das AKW, und Manthey erläutert: „Früher bekam man als AKW-Gegner Ärger, heute ist es umgekehrt.“ Kersten Kampe

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