: Wenig Spielraum für die Generäle
■ Algerien: Nach dem Scheitern der „Nationalkonferenz“ muß das Militär schnell einen neuen Präsidenten finden
Kairo (taz) – Das Fiasko überstieg alle Erwartungen. So könnte man das Ergebnis der zweitägigen „Konferenz des Nationalen Dialogs“ in Algerien, die am 26. Januar endete, beschreiben. Von Anfang an hatten die wichtigsten Parteien des Landes, die verbotene „Islamische Errettungsfront“ (FIS), die „Nationale Befreiungsfront“ (FNL) und die „Front der Sozialistischen Kräfte“ (FFS) die Konferenz boykottiert. Diese drei Gruppierungen hatten bei den Wahlen Ende 1991, die vom Militär abgebrochen worden waren, zusammen fast 90 Prozent der Wählerstimmen hinter sich vereint.
Wenige Stunden nach Beginn der „Nationalkonferenz“ zogen sich dann einige der kleineren Parteien zurück – weil sie nicht als Feigenblatt dienen wollten, oder weil sie erkannten, daß die ihnen vorschwebenden wichtigen Posten in der Übergangsregierung nur eine Fatamorgana waren. Die Konferenz wurde zum Monolog des Militärs, der eigentlichen Machthaber des Landes, zum Gespräch mit sich selbst und mit einigen wenigen Günstlingen.
Doch der eigentlich tödliche Schlag für die Generäle und ihre Konferenz kam von ihrem eigenen Kandidaten für die Präsidentschaft, Abdul Aziz Bouteflika. Dieser verzichtete unerwarteterweise am zweiten Tag auf seine Kandidatur.
Für die Militärs schien Bouteflika eine starke Karte: Er ist Mitglied es Politbüros der FLN, die den Kampf gegen den französischen Kolonialismus führte und das Land seit der Unabhängigkeit bis zu ihrer Niederlage bei den Wahlen von 1991 regierte. Damit wollte die Armee die Front schwächen oder sie gar spalten. Zudem war er Außenminister unter dem verstorbenen Präsidenten Houari Boumedienne.
Der Wunschkandidat entschwand ins Ausland
Boumedienne genießt bis heute in Algerien große Popularität. Unter seiner Herrschaft begannen die Industrialisierung des Landes und die Agrarreform – in der Erinnerung vieler AlgerierInnen die goldene Ära des Landes. Mit der Ernennung Bouteflikas wollten die Militärs die Erbschaft sowohl Boumediennes als auch der FLN für sich beanspruchen.
Letzlich waren es die Meinungsverschiedenheiten unter den Generälen, die Bouteflika zu seiner Entscheidung geführt haben. Bouteflika hatte Bedingungen für die Kandidatur gestellt: Er wollte reale Kompetenzen als Präsident, selbst über seine Stellvertreter entscheiden und keinen Präsidialrat neben sich akzeptieren. Und er forderte die Entlassung einiger Generäle aus der Armee und dem Geheimdienst. Innerhalb des Militärs stieß er damit auf starken Widerstand bei jenen, die um ihren Kopf fürchteten. Nachdem Bouteflika seine Entscheidung, nicht zu kandidieren, bekanntgegeben hatte, setzte er sich ins Flugzeug nach Genf. Offiziell wurde dies nicht begründet. Aber einige Beobachter meinen, Bouteflika habe mit dem Feuer gespielt und sei zur Zeit im Ausland besser aufgehoben. Schließlich hat es in der Vergangenheit genug schlechte Erfahrungen gegeben. So wurden unter anderen Präsident Boudiaf und Ex-Premier Merbahi ermordet.
Der nächste Schritt der Militärs wird für die Zukunft Algeriens entscheidend sein. Bis Ende des Monats müssen sie einen neuen Präsidenten bestimmt haben. Die Amtszeit des gegenwärtigen Präsidialrats läuft am 31. Januar aus. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Sie können einen „Zivilisten“ oder jemanden aus ihren eigenen Reihen bestimmen. Der einzige Zivilist, dem Chancen nachgesagt werden, ist der ehemalige Außenminister Ahmed Taleb Al Ibrahimi. Er strebt einen Dialog zwischen der Armee und den drei „Fronten“, den drei größten Parteien, an. Dieser soll in die Bildung einer Übergangsregierung münden.
Die andere Option wäre es, einen der Generäle zum Präsidenten zu küren. Das aber würde bedeuten, daß die Militärs sich entschieden hätten, ihre „zivile Maske“ völlig abzulegen. Khalil Abied
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