: In russischer Militärhaft
■ Pfarrer: Musiker liegt im Sterben
Potsdam (taz) – Mit schweren Vorwürfen gegen die Westgruppe der GUS-Streitkräfte hat sich Pfarrer Johannes Toaspern von der Evangelischen Kirchengemeinde Potsdam an die Öffentlichkeit gewandt: Der im Sterben liegende Dirigent der Potsdamer Militärmusiker, Major Georgie Schkutnik, werde zu Unrecht und ohne Gerichtsverfahren in Isolationshaft im Militärgefängnis Wünsdorf gehalten. Toaspern: „Es entsteht für uns der dringende Eindruck, daß dieser Mann bewußt zu Tode gebracht werden soll, um jeden Prozeß zu verhindern.“
Bundeswehrsprecher Klaus Heermeier bezeichnete den Fall „als eine undurchsichtige Geschichte, in der niemand konkrete Aussagen hat“. Es sei völlig unklar, ob Schkutnik „nicht doch Dreck am Stecken“ habe.
Oberst Andrejew, Sprecher der Streitkräfte in Wünsdorf, weist die Vorwürfe des Pfarrers entschieden zurück. Schkutniks Zustand sei zufriedenstellend, und der Prozeß gegen ihn werde in wenigen Tagen beginnen. Der Major und Militärdirigent war im Juli vergangenen Jahres festgenommen worden. Die damalige Anklage lautete, ohne Genehmigung in deutschen Gaststätten Musik gespielt zu haben. Später wurde diese Anklage fallengelassen, und es hieß: Schkutnik soll von den Militärmusikern Schmiergelder gefordert haben, um eine Verlängerung ihres Aufenthaltes zu erwirken.
Um seine Unschuld zu beteuern, sei Schkutnik Anfang Dezember 1993 in den Hungerstreik getreten, so Toaspern. Ende Dezember ist der Major dann in die psychiatrische Abteilung der Garnison verlegt worden; seit Mitte Dezember sitzt er wieder im Gefängnis, wo seine Frau ihn bisher nicht besuchen durfte. Laut Toaspern sei Schkutnik inzwischen bis auf 50 Kilogramm abgemagert und leide unter Hepatitis B. Dem Pfarrer war ein Besuch des Inhaftierten mit der Begründung verweigert worden, im Ermittlungsverfahren nach russischem Recht seien Besuche nicht erlaubt. Anja Sprogies
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