Buy Love, not War

■ Frau trägt wieder Plateausohlen und Batikkleidchen: ein 70er-Revival für Unbefangene und Unverbesserliche

Come mothers and fathers troughout the land/ And don't critizise what you cant' understand/ Your sons and your daughters Are beyond your command Your old road is rapidly agin'/ For the times, they are a-changin (Bob Dylan, 1963)

„Den Eltern tut das in der Seele weh“, sagt Frau Siemers. Nämlich: Wenn ihre lieben, gar nicht mehr so Kleinen aus der Umkleidekabine springen – mit Schlaghosen um die Beinchen und Plateaustiefeln an den Hacken. „Dann ärgern die sich natürlich, weil sie das ganze Zeug längst weggeworfen haben“, und was wäre das heute wert: so eine Original-Paillettenweste; so ein waschechter Schlapphut; so ein wahrhaftiges Peace-Medaillon. Vorbei, die Chance. Also müssen Menschen wie Frau Siemers ran.

Als Abteilungsleiterin des „Impuls“-Sortiments in der heimischen H&M-Filiale verkauft sie nun schon in der vierten Saison Schlaghosen-Imitate an die Jugend. „Das ist immer extremer geworden“, mit den Längen, Breiten und Mustern nämlich. Längst haben die cleveren H&M-Strategen ein ganzes Sortiment im Flower-Power-Look drangehängt. Chiffonblusen mit Trompetenärmeln, luftige Strickwesten, Batikkleidchen mit psychedelischen Mustern. Zielgruppe: die 15- bis 20-Jährigen – vor allem junge Frauen. Für 250 Mark kriegen sie die Erstausstattung, sagt Frau Siemers; später sind noch ein paar Hunderter für die Accesoires fällig. „Das ist bei den Teenies jetzt einfach Mode; mit dem Lebensgefühl von damals“, sagt Frau Siemers, „hat das nichts mehr zu tun.“ Hippies, faßt euch an den Händen tragt Hot-Pants und Schlaghosen trinkt Afri-Cola denn ihr seid die guten Anti- Skins (Prinz, 1/1993)

Doch, Patricia hat schon mal was über die Hippiekuktur gelesen, „was über Flower-Power, stand in der Bravo-Girl“. Und Katrin hört sogar Musik von damals. Jedenfalls ab und zu. Und zwar? „So ne CD“, „Bands of the Sixties“. Und Slade. Wie in der C&A-Werbung.

Zwischen zwei- und dreihundert Mark geben Patricia, Katrin und Diana im Monat für Klamotten aus. Aber nicht nur für Hippie- Revival-Kluft. Sondern für alles, was Spaß macht. „Petticoats finde ich toll“, sagt Patricia, „aber ich trau mich noch nicht richtig, die zu tragen.“ Die Teenies, sagt eine Verkäuferin im Trendladen „Boy“ im Ostertor, „haben ein ganz gutes Gefühl dafür drauf, was sie tragen können.“ Schlaghosen z.B. sind eben nichts für jeden Tag. „Viele trauen sich in der Schule nicht, weil sie denken, da sieht man Bauch und Beine so“, sagt Diana. Kein Problem für sie und ihre Freundinnen. „Ich steh' zu meinem Bauch“, gickelt Patricia. Sie bevorzugt die luftig gestrickten Sixties-Westen : „Man zeigt ein bißchen was, aber eben nicht zuviel.“

The vagabond who's rapping at your door is standing in the clothes that you once wore (Bob Dylan, 1965)

Teenies können sich die teuren Plateauschuhe doch gar nicht leisten, sagt Semra aus dem Ostertor'schen „Kaufhaus“. Unter 200 Mark gibt's nichts Vernünftiges. Neben den Teens, die sich nun auf Hippie stylen, „gibt es ja auch die Leute, die sowas ihre Leben lang durchgezogen haben“. Welch Glück, endlich wieder zwischen acht und zwölf Zentimeter hohen Absätzen wählen zu können! Solange sie nur den Originalen nahekommen. Semra ist selbst „Schuhfreak“ – und sie haßt vor allem Unsinn wie Plateauturnschuhe. Aber das Ende des Revivals ist nicht Sicht. Im März bricht die neue Saisonware über die Geschäfte her. Und Semra weiß schon, was da auf die Freunde der Hippiemode zukommt: noch mehr Plateauschuhe, diesmal aus Holz, mit Lederriemchen und feschen Schnallen. „Man muß nur auch drin laufen können“, und „das ist eine Kunst für sich“.

Where have all the flowers gone? Long time passing Where have all the flowers gone Long time ago? Young girls picked them, every one Oh, when will they ever learn? When will they ever learn? (Pete Seeger, 1962)

Thomas Wolff