piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Zeitenpendel – eine Doppelinstallation von Norbert Heins

Nicht immer ist Kunst in U-Bahnhöfen so beliebt, wie sie bis Juli am Alex auf der U 2 präsentiert wird. Norbert Heins hatte sich mit seiner Installation „Zeitenpendel“ zunächst den Zorn der BVG-Beamten eingehandelt: Die von ihm zusätzlich auf dem U-Bahnhof Klosterstraße aufgehängten zehn schwingenden Uhren irritierten die Schaffner und erhöhten die Gefahren für Leib und Leben der Passagiere, die, vom Pendeln der Zeit verwirrt, neben den Steig treten könnten. Die elektrische Verkabelung der Installation wurde erst einmal stillgelegt, nichts pendelte mehr. Dann kam man sich zwischen Kunst und U-Bahn kompromißweise näher: Die Uhren wurden in einem Winkel justiert, so daß die ZugabfertigerInnen nicht mehr der Hypnose durch die Zeitzeiger ausgesetzt waren, und den Fahrgästen hatte das Spektakel sowieso von Anfang an gefallen, wie wir bereits lokal Bericht erstatteten (taz, 19. 1.).

Doch das Spektakel im öffentlichen Transportraum ist nur die Hälfte des Konzepts: Direkt gegenüber hat Heins in der Parochialkirche weitere Chronometer angebracht, die von der Decke des Kirchenschiffs an unterschiedlich langen Stangen baumeln. Auch sie pendeln mechanisch. Was im Untergrund die Geschäftigkeit des Alltags aufgreift und streng formalisiert auf die Achse der unentwegt bewegten Welt überträgt, offenbart in der Kirche das Gegenteil: Ruhe. Sanft und tonlos scheinen die Uhren hoch über dem Kreuz des Altars zu schweben – und arbeiten sich trotzdem unermüdlich an der Zeit ab. Heins interessiert die Parallelität von Kreisläufen, die sich zwischen U-Bahn-Tunnel und Kirche ergeben, das geschlossene System und die Idee von einem Kontinuum, das aus sich selbst schöpft: „Unermeßlich und unteilbar, in der ebenso imaginären Vorstellung eines immer gleichen Monolithen – kurz ,Ewigkeit‘.“ Dem Besucher bleibt die Aufgabe, zwischen den Zeitmodellen zu wandeln – eine sehr romantisch gedachte Angelegenheit, von der man in der U-Bahn allein allerdings kaum etwas mitbekommt. Harald Fricke

Foto: Stephen Wiesinger

Bis zum 20.3., 9 bis 15.30 Uhr in der Parochialkirche und während der Fahrzeiten auf dem U-Bahnhof Klosterstraße.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen