: Zurück mit den Flüchtlingen
Immer mehr Stimmen regen sich gegen die geplante „Rückführung“ von 100.000 kroatischen Flüchtlingen nach dem 30. April ■ Von Vera Gaserow
Berlin (taz) – Auf einer Sondersitzung am 9. Februar wollen die Innenminister von Bund und Ländern beraten, ob die von ihnen beschlossene Ausweisung von fast 100.000 kroatischen Flüchtlingen zum 30. April dieses Jahres tatsächlich umgesetzt werden kann. Einige SPD-regierte Bundesländer äußern inzwischen starke Bedenken gegen den Abschiebebeschluß, den sie zuvor selber mitgetragen haben. Aber auch Sachsens Innenminister Eggert (CDU), will Abschiebungen nicht zustimmen, solange die Modalitäten für eine „geordnete Rückführung“ der Flüchtlinge nicht klar sind.
Mit den Stimmen der SPD-Minister hatte die Innenministerkonferenz (IMK) zuletzt am 26. November entschieden, daß der Abschiebestopp für Kroaten nicht über den 30. April hinaus verlängert wird. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Rückführung“ sollte bis dahin Härtefallkriterien erarbeiten, nach denen bestimmte Flüchtlingsgruppen weiterhin in Deutschland bleiben dürfen. Gleichzeitig sollte ein Wiederaufbauprogramm entworfen werden, damit die Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr überhaupt ein Dach über dem Kopf haben.
Doch die geplanten Unterkünfte für die kroatischen Rückkehrer stehen noch nicht einmal auf dem Reißbrett. Daß sie bis zum 30. April nicht zu errichten sind, war schon auf der IMK im November offensichtlich. Bisher haben noch nicht einmal konkrete Gespräche stattgefunden, wie ein Wiederaufbauprogramm aussehen könnte. Weder die Standorte für die Unterkünfte noch die Modalitäten der Finanzierung stehen fest. Wenn überhaupt, dann soll das Aufbauprogramm offenbar in Zusammenarbeit mit der kroatischen Regierung durchgeführt werden – eine problematische Lösung, solange Kroatien selbst Kriegspartei ist und nicht auszuschließen ist, daß die deutschen Gelder verdeckt der Finanzierung dieses Krieges dienen.
Doch bisher ist auch auf deutscher Seite ungeklärt, ob es die Geldspritze überhaupt geben wird, denn Bund und Länder pokern um die Finanzierung. Im Gespräch sind insgesamt 30 Millionen Mark Aufbauhilfe – umgerechnet auf fast 100.000 kroatische Flüchtlinge gerade mal 30 Mark pro Person. Nach den bisherigen Vorschlägen soll diese Summe je zur Hälfte von Bund und Ländern aufgebracht werden. Doch bislang hat der Bund jegliche finanzielle Beteiligung abgelehnt.
Auch über eine Härtefallregelung besteht Uneinigkeit: hier hatte die Arbeitsgruppe vorgeschlagen, daß Flüchtlinge mit engen Beziehungen zu in Deutschland lebenden Verwandten von der Abschiebung ausgenommen werden sollen und Kroaten, die schon lange Jahre legal hier leben. Eine zu restriktive Regelung, wie etliche Innenminister jetzt kritisieren. Baden-Württembergs Innenminister Birzele (SPD) fordert schon seit langem, bei Abschiebungen nach regionalen und politischen Gegebenheiten zu differenzieren. Er hat schon seit Monaten eine Liste von serbisch besetzten oder umkämpften Ortschaften in der Schublade, in die seiner Meinung nach nicht abgeschoben werden darf. Mit seiner Forderung hat sich Birzele bisher jedoch bei seinen Amtskollegen nie durchsetzen können. NRWs Innenminister Schnoor macht darüber hinaus noch andere Bleibekriterien geltend. So sollen all diejenigen bleiben dürfen, die in Deutschland bei Verwandten untergekommen sind und von ihnen auch finanziell versorgt werden.
Ob sich die Innenminister am 9. Februar auf einheitliche Kriterien einigen können, ist fraglich. Das Veto eines Bundeslandes oder des Bundesinnenministers reichen aus, um eine Regelung wieder zu kippen. Das entscheidende Gewicht wird dabei Bayern zukommen. Dort haben fast 30.000 Kroaten Zuflucht gesucht, so daß Landesregierung und Gemeinden allein aus finanziellen Gründen Interesse an einer möglichst restriktiven Härtefallregelung haben.
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