Transrapid - Phantom auf Stelzen

■ Interessierte Kreise pushen sie, doch die Zukunft der Magnetbahn ist ungewiß Von Uli Exner

Der Spiegel wußte es schon im vergangenen Jahr ganz genau. „In der vergangenen Woche beschloß die Regierung, (...) sich auf ein milliardenteures Technik-Abenteuer einzulassen“, schrieb das Nachrichtenmagazin in seiner Ausgabe vom 13. Dezember und beschrieb dann die Schwachsinnigkeit der angeblich beschlossenen Magnetschwebebahn zwischen Hamburg und Berlin. Kleiner Fehler in der sonst so trefflichen Beschreibung des Transrapid-Projekts: Die Entscheidung war damals noch nicht gefallen und ist es bis heute noch nicht. Die taz hamburg auf den Spuren eines Geisterzuges.

Erste Station: Das Bundesverkehrsministerium. Nein, noch keine Entscheidung, das Kabinett berät im März. Abschließend? Möglich, vielleicht aber auch nicht. Doch klar, die Tendenz sei schon pro Transrapid. Aber der Kanzler wolle noch einige Fragen geklärt haben. Derer zwei dürften dabei im Mittelpunkt stehen. Erstens: Was kostet's? Die Antwort fällt leicht: Reichlich. Wir sparen uns, hier die unterschiedlichen Finanzierungsmodelle vorzustellen. Klar ist, daß der Bund für den Bau der Strecke mit mehreren Milliarden Mark dabei sein soll. Und auch das Risiko der Betreiber dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil der Bund über seine Staatsfirmen Lufthansa und Deutsche Bahn AG tragen. Die zweite Kanzler-Frage ist in der Tat eine Kanzlerfrage. Kann ich es mir leisten, der deutschen Industrie ein paar Monate vor der Wahl ihr Lieblingsspielzeug zu klauen, wo die sich doch schon gen Rudolf orientiert? Auch diese Antwort fällt nicht schwer: Nein. Also Grundsatzentscheidung für Transrapid. Jedenfalls bis zur Wahl.

Letzteres Datum betont auch ein Gesprächspartner an der zweiten Station unserer Reise: Der Hamburger Baubehörde, zuständig auch für den Verkehr in der Hansestadt. Einen Beschluß des Bonner Kabinetts zugunsten des Transrapids kann sich Sprecher Jürgen Asmussen ja noch vorstellen. „Aber da Geld reinzustecken?“ Das sei doch alles nach wie vor viel zu vage. In der Hansestadt jedenfalls, deren Bild von der Stelzenbahn ja nicht unerheblich verändert würde, sehe man derzeit keine Veranlassung zu weiteren Überlegungen. Wolkenkukkucksheim. Im übrigen gelte der Beschluß des Senats, daß man den Transrapid nur begrüße, wenn andere Verkehrsprojekte darunter nicht leiden.

Genau das wollen wir an der dritten Station feststellen. Wie sieht's denn aus mit der Schienenverbindung nach Berlin, liebe Pressestelle der Hamburger Bundesbahndirektion? Es meldet sich ... eben nicht die Pressestelle, sondern das „Regionalbüro Kommunikation“, wie die einstige Pressestelle inzwischen ganz fortschrittlich heißt. Nein. Der Ausbau der Schienenstrecke nach Berlin sei vom Transrapid völlig unabhängig. Jedenfalls der derzeit laufende für Tempo 160. Nein, mehr wisse man nicht, man möge doch bitte das Zentralbüro Kommunikation kontaktieren.

Womit wir auch schon in Berlin wären. Ja, erklärt der freundliche Herr Mietling von der Ex-Zentralpressestelle der Bundesbahn, wenn der Transrapid in Betrieb ginge, dann müsse man schon neu rechnen. Dann wäre der weitere Ausbau der IC-Strecke für Tempo 200 durchaus in Frage gestellt, erst recht der Ausbau für ICEmäßige 250 Kilometer pro Stunde. Und wenn man ganz genau hinhört, dann kann den interessierten Reisenden auch das Gefühl beschleichen, daß der in der Luft schwebende Transrapid schon jetzt den zügigen Ausbau des Gleisnetzes zwischen Hamburg und Berlin stört. Es könnte ja schließlich sein, daß eines Tages vielleicht doch ...

Beim Thyssen-Konzern, Endstation unserer kleinen Reise, ist man sich nach Einschätzung eines Insiders inzwischen jedenfalls ganz sicher, daß der eines Tages tatsächlich noch von seinem Emsländer Abstellgleis geholt und eines Tages am Berliner Tor oder beim Noch-Postamt Hühnerposten einschweben wird. Lautlos natürlich, wie es sich für einen Geisterzug gehört.