: UKE: Der Markt der Zukunft
■ Klinikum soll auf den Kopf gestellt werden / Neue Organisationsstruktur angekündigt / Die Folgen für Patienten sind völlig unklar Von Sannah Koch
Ein neuer Kurs für die Uniklinik Eppendorf: „Steuern, aber nicht mehr rudern“, so kündigte Wissenschaftsenator Leonhard Hajen gestern an, wolle die Stadt das schwerfällige Schiff in den kommenden Jahren. In die Sprache der Bürokraten übersetzt, nennt sich das Vorhaben „Reform der Organisations- und Führungsstrukturen im UKE“. Und in der Praxis soll's bedeuten, daß die Marktwirtschaft auch in den Räumen der Uniklinik Einzug halten wird. Die Zukunftsdevise des Senats für das Großklinikum lautet “weniger Staat, mehr Wettbewerb“ und, besonders wohlklingend, „der Kunde ist König“.
Nicht unbedingt innere Einsichten, sondern vielmehr äußere Zwänge sind es, die Senat, Universität und UKE-Direktorium zu dieser Neuorganisation zwingen. Das Gesundheitsstrukturgesetz, durch das die Krankenhausbudgets gedrückt wurden, und eine Umstellung des Finanzierungssystems führen laut Hajen dazu, daß den „Kliniken der Wind hart ins Gesicht schlägt“. Bislang können die Krankenhäuser ihre Behandlungskosten gänzlich über die Pflegesätze auf die Krankenkassen abwälzen. Ab 1996 wird sich dies ändern – dann müssen mit den Krankenkassen Preise für die medizinischen Dienstleistungen ausgehandelt werden. Und diese gilt es rigide einzuhalten – oder die Klinik wird gigantische Defizite einfahren.
Wieviel aber derzeit was kostet, weiß in dem Großbetrieb mit 7000 Beschäftigten, knapp 2000 Betten und einer Jahresbilanz von über 700 Millionen Mark niemand so genau. Unklare Kompetenzen, zeitraubende Entscheidungsabläufe und unübersichtliche Verwaltungsstrukturen haben dem UKE den Ruf eines undurchschaubaren Molochs eingetragen. Arzt- und Abrechnungsskandale taten in der Vergangenheit ein weiteres, den Ruf des UKE zu ruinieren.
Sollten die vollmundigen Ankündigungen des Senats aber Realität werden, wäre das UKE im Jahr 2000 nicht wiederzuerkennen. Im nächsten Jahrtausend hätte es eine neue Rechtsform (GmbH oder Anstalt öffentlichen Rechts); ein reduziertes, weil sonst nicht finanzierbares, medizinisches Angebot; Kliniken, die mit eigenen Budgets haushalten müssen und in denen Ärzte gemäß Kollegialprinzip mit den Pflegekräften zusammenarbeiten – und außerdem aus Kostengründen auch weniger Medizinstudenten.
Wie diese fundamentalen Umwälzungen stufenweise in die Tat umzusetzen sind, erläuterte gestern UKE-Manager Behrend Behrends: Stufenweise soll der große Kehraus in Verwaltung, im Kompetenz- und Finanzierungsdschungel und letztlich in der Trägerstruktur erfolgen. Zunächst wird das vorgeschlagene Konzept aber zahlreiche Debattenzirkel durchlaufen müssen. Auch die Bürgerschaft muß sich entscheiden, ob sie ihre fiskalischen Kontrollmöglichkeiten zugunsten einer gesteigerten Wirtschaftlichkeit einschränken will.
Ob und was der Patient letztlich von den Veränderungen spüren wird, ist noch völlig offen. Behrends und Hajen beantworteten diese Frage mit Achselzucken.
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