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■ Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident erhielt im Jahr 1986 Wahlkampfhilfe von Erich HoneckerSuper-GAU für Rau

Man muß sich die Situation in den Monaten vor der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 noch einmal vergegenwärtigen. Im Zentrum des CDU-Wahlkampfs stand das Asylrecht. Der SPD wurde vorgehalten, durch ihre mangelnde Bereitschaft zur Grundgesetzänderung für den „ungebremsten Zustrom“ verantwortlich zu sein. Ein Thema der öffentlichen Debatte war das sogenannte „Schlupfloch“ Berlin. Über den Ostberliner Flughafen Schönefeld erreichen im Monat rund 5.000 vornehmlich tamilische Flüchtlinge über den Transitweg den Westteil der Stadt. Am 1. Oktober fiel dieses Tor in den Westen zu. Die Bonner SPD-Zentrale plapperte von einem „großen Triumph“, den ihr Kanzlerkandidat Johannes Rau nach Verhandlungen mit der DDR erzielt habe. Rau selbst durfte die „Lösung“, über „die wir uns alle freuen sollten“, schon am 18. September als seinen Verhandlungserfolg verkaufen. Vom „politischen Zauberlehrling“ Rau schwärmte an diesem Tag der Westdeutsche Rundfunk.

Es war ein fauler Zauber. Die jetzt veröffentlichen Akten aus dem Zentralarchiv der DDR belegen, daß die Düsseldorfer CDU mit ihrem schon früh geäußerten Verdacht einer „gezielten Wahlkampfhilfe durch die SED“ richtig lag. Die mit der üblichen Rhetorik versehenen Verleumdungsgesänge der SPD und ihres damaligen Kanzlerkandidaten führen in die Irre. Tatsächlich hat der von Rau mit den Verhandlungen beauftragte Egon Bahr im Gespräch mit Honecker gezielt um eine „Regelung“ gebeten, die für den Wahlausgang „günstig wäre“. Als Gegenleistung bot Bahr, wie er selbst freimütig einräumt, an, daß eine künftige SPD-Regierung dafür „voll die Staatsbürgerschaft der DDR respektieren wird“.

Ein „Bonbon“ nennt Bahr das heute. Ein Angebot ohne Wert, weil die Respektierung nicht Anerkennung bedeute und die DDR-Staatsbürgerschaft selbst vor der Grundlagenvertrag von Bonn respektiert worden sei. In der Sache mag diese Differenzierung die damalige politische Position korrekt wiedergeben, zur Entlastung von Rau taugt sie nicht. Der hatte im Düsseldorfer Parlament immer jeden Zusammenhang mit dem Wahlkampf geleugnet und schlicht erklärt: „Die Bekanntgabe durch mich erfolgte, weil das sinnvoll war.“ Ja, „sinnvoll“ für den Wahlkampf, gezielt abgestimmt mit der SED-Führung zur Förderung eines Wahlsieges der SPD. Öffentlich hat Rau diese Wahlkampfhilfe geleugnet. Das kann nicht ohne Kosequenzen bleiben für einen Mann, der Bundespräsident werden will. Die Hilfe der SED kam seinerzeit nicht von ungefähr, denn Honecker hatte schon bei einem Gespräch mit Rau im Mai 1986 erklärt, „daß die DDR einen Sieg der SPD bei den Bundestagswahlen 1987 begrüßen würde“. Walter Jakobs

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