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Leuna unter EU-Lupe

Kommissare fordern Konzept für ostdeutsches Chemiedreieck / Elf Aquitaine hat noch immer nicht mit Bau der Leuna-Raffinerie begonnen  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – „Wir sehen überhaupt keine Probleme“, versucht eine Treuhandsprecherin abzuwiegeln. Die Investitionen für den ostdeutschen Chemiebetrieb Leuna, die die EU-Kommission jetzt unter die Lupe nehmen will, seien keineswegs unzulässige Subventionen. Vielmehr sollten mit den 500 Millionen Mark Darlehen und Bürgschaften gesetzlich vorgeschriebene Umweltschutz- und Sicherheitsanlagen finanziert werden und die Wettbewerbsnachteile aufgrund der planwirtschaftlichen Vergangenheit abgebaut werden. „Bei Vorhaben dieser Größenordnung ist es üblich, daß die EU über ein Hauptprüfverfahren vertiefte Klarheit gewinnen möchte“, so die Sprecherin.

Die EU-Kommission hat die Bundesregierung am Mittwoch aufgefordert, innerhalb von vier Wochen einen umfassenden Umstrukturierungsplan für die ostdeutsche Chemieindustrie vorzulegen. Bei der Brüsseler Behörde, die über einen fairen Wettbewerb wachen soll, ist offenbar der Eindruck entstanden, daß die Bundesregierung die Subventionen für die Treuhandbetriebe rund um Merseburg bei der EU nur häppchenweise anmeldet. Auf diese Weise soll ein Handlungsdruck entstehen, auch weitere Maßnahmen durchgehen zu lassen. Bei der Vorlage eines Gesamtkonzepts aber müßten die EU-Kommissare einschreiten, munkelt man.

Die Treuhand war im letzten Jahr dazu übergegangen, im Chemiedreieck eine enge Vernetzung ihrer Restbetriebe zu planen – selbstverständlich weiterhin mit der Absicht, sie für eine spätere Privatisierung vorzubereiten. Die Buna AG, die noch nicht privatisierten Teile von Leuna und die Sächsischen Olefinwerke sollen gemeinsam ein „integriertes Polyolefinkonzept“ verfolgen.

Vor allem ein supermoderner Gas-Craker soll den bisherigen Nafta-Craker in Buna ergänzen: Auf diese Weise hoffen die Manager, die ostdeutsche Petrochemie auf dem heißumkämpften Plastikmarkt wettbewerbsfähig zu machen. Die Anlage, die über eine Milliarde Mark kosten dürfte, soll etwa 30 Prozent billiger produzieren – eine Tatsache, die die westliche Konkurrenz gar nicht gerne sieht und die EU auf den Plan rufen könnte.

Dreh- und Angelpunkt dafür, daß die ostdeutsche Chemieindustrie nördlich von Halle wettbewerbsfähig wird, ist aber zunächst die Fertigstellung der Raffinerie bei Leuna. Im Sommer 1992 war der bisherige französische Staatskonzern Elf Aquitaine mit der Treuhand einig geworden: Bis 1995 sollte auf einem Acker neben dem Leuna-Gelände eine hochmoderne Anlage gebaut werden. Dafür bekamen die Franzosen das lukrative Minol-Tankstellennetz.

Insbesondere BP, die schon gleich nach der Wende ihr Interesse an den lila-gelben Spritverkaufsstellen angemeldet hatte, war verärgert. Der Ölmulti hatte stets behauptet, eine Raffinerie in Sachsen-Anhalt werde sich niemals rechnen. Deshalb verhandelte BP mit der Treuhand über den Bau einer Pipeline für Leuna. Die raffinierten Produkte wollte der Konzern von einer deutschen Hafenstadt aus ins Chemiedreieck liefern; dafür sollte die Treuhand das Tankstellennetz herausrücken. Doch die Breuel-Behörde winkte ab: So entstünden schließlich keine Arbeitsplätze im Osten.

Doch noch immer ist kein Spatenstich für die Raffinerie getan, obwohl die Treuhand schon im letzten Sommer mit viel Brimborium die Grundsteinlegung ankündigte. „Wir werden auf die Einhaltung des Vertrags bestehen“, so Franz Wauschkuhn, Sprecher des Bonner Wirtschaftsministeriums. Noch am Abend wollte Günter Rexrodt das Problem mit seinem französischen Amtskollegen zur Sprache bringen. Die Zeit drängt. Denn noch hängen die ostdeutschen Chemiefirmen von der alten Leuna-Raffinerie ab, und die produziert zu extrem hohen Preisen. Je länger die Elf-Raffinerie auf sich warten läßt, desto teurer wird es für die Steuerzahler.

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